Papillon
sind einmütig zu der Ansicht gekommen, daß Sie sicherlich recht haben. Es hat keine Revolte gegeben … Diese drei Sträflinge waren entschlossen, Selbstmord zu begehen, indem sie vorher so viele wie möglich umbringen. Demnach beginnt ab morgen wieder das normale Leben. Filisari wird noch heute nacht nach Royale versetzt. Sein Fall geht nur uns etwas an, und wir ersuchen Sie, sich da nicht einzumischen. Wir rechnen damit, daß Sie Ihr Wort halten werden.«
»Sie dürfen sich auf mich verlassen. Auf Wiedersehen.«
»Mohammed und die beiden Herren Aufseher, führen Sie Papillon zurück in die Casa. Lassen Sie Filisari eintreten, er fährt mit uns nach Royale.«
Unterwegs sage ich zu Mohammed, daß ich hoffe, er wird freigelassen. Er dankt mir.
Im Saal fragen sie mich: »Was wollten die Gammler von dir?«
Bei völliger Stille beginne ich Wort für Wort zu berichten, was sich abgespielt hat.
»Wenn es einen unter euch gibt, der nicht damit einverstanden ist oder der glaubt, die Abmachung, die ich mit den Gammlern in eurer aller Namen getroffen habe, kritisieren zu müssen, dann soll er es sagen.«
Wie aus einem Munde stimmten sie alle zu.
/»Meinst
du wirklich, daß sie geglaubt haben, niemand war in die Sache verwickelt?«
»Nein. Aber wenn sie nicht selber auffliegen wollen,
müssen
sie es glauben. Und wir auch, wenn wir keine Scherereien haben wollen.«
Heute morgen um sieben hat man alle Zellen des Disziplinartraktes geöffnet. Mehr als hundertzwanzig Mann kamen heraus. Niemand ging zur Arbeit, alle Räume sind offen, und der Hof ist voll von Sträflingen, die in voller Freiheit miteinander reden, rauchen und ganz nach Belieben sich in der Sonne oder im Schatten ergehen. Niston ist ins Spital gekommen.
Jetzt, da wir alle vereinigt sind, erfahren wir die Wahrheit. Filisari hat nur einen Mann getötet, die beiden anderen wurden von zwei jungen Gammlern umgebracht, die sich bedroht fühlten. Der Anschein, daß es sich um einen Amoklauf gehandelt habe, war wirklich gegeben. So kam es, daß eine echte Revolte, die glücklicherweise schon bei ihrem Ausbruch mißlang, sich in einen Selbstmord von drei Sträflingen verwandelte, eine These, die offiziell von aller Welt angenommen wurde: von der Strafverwaltung ebenso wie von den Sträflingen. Es blieb nur eine Legende zurück, oder eine wahre Geschichte, ich weiß es nicht genau. Vielleicht ein Zwitterding aus beiden. Das Begräbnis der drei im Lager Getöteten, und das von Hautin und Marceau dazu, scheint sich folgendermaßen abgespielt zu haben: Da es im Lager nur einen einzigen Scheinsarg gibt, diesmal aber fünf Leichen, haben die Aufseher alle fünf zugleich und ohne Sarg im Boot verstaut und sie dann den Haien vorgeworfen. Man dachte, daß die letzten Leichen solcherart Zeit haben werden, mit ihren schweren Steinen an den Füßen unterzusinken, während unterdessen ihre Freunde von den Haifischen verschlungen werden. Man hat mir aber erzählt, daß keine der Leichen im Meer verschwinden konnte und daß alle fünf bei Anbruch der Nacht in ihren weißen Leichentüchern ein Ballett getanzt haben, als wären es große Puppen, von den Flossen und Schwänzen der Haifische wie bei einem Marionettenspiel bewegt. Es war ein so grausiger Anblick, daß die Aufseher und Ruderer vor Entsetzen davonliefen.
Eine Kommission ist gekommen und fünf Tage auf Saint -Joseph und zwei Tage auf Royale geblieben. Ich wurde nicht genauer als die anderen befragt. Durch den Kommandanten Dutain erfuhr ich, daß alles gut abgegangen ist. Filisari ist seines Dienstes bis zu seiner endgültigen Pensionierung enthoben worden, er wird also nicht wiederkommen. Mohammed wurde seine Strafe gnadenhalber erlassen. Der Kommandant Dutain erhielt einen Streifen mehr.
Da es ja immer Unzufriedene gibt, hat mich gestern ein Häftling aus Bordeaux gefragt:
»Was haben eigentlich wir dabei gewonnen, daß sich’s die Gammler richten konnten?«
Ich blicke den Burschen an: »Fünfzig oder sechzig Schwere unter uns haben keine fünf Jahre Einzelhaft wegen Mitverschwörung abgekriegt – findest du, daß das nichts ist?«
Der Sturm hat sich glücklicherweise gelegt. Eine Art geheimes Einverständnis zwischen Aufsehern und Sträflingen hat die Untersuchungskommission, die vielleicht sogar selbst nichts anderes wollte, als alles aufs beste beizulegen, vollkommen durcheinandergebracht.
Ich persönlich habe weder gewonnen noch verloren, außer daß mir die Kameraden dankbar sind, von einer weiteren
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