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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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mit einem Strick mit einem Eisendraht. So werden die Haifische ihn nicht abreißen können, und er wird ins Meer sinken, ohne von ihnen verschlungen zu werden.
    Die Glocke läutet, als wir den Kai erreichen. Es ist sechs Uhr abends. Die Sonne verschwindet hinter dem Horizont. Wir steigen ins Boot. In der berüchtigten Kiste, die allen dient, schläft Matthieu auf immer unter dem geschlossenen Deckel. Für ihn ist es zu Ende. »Vorwärts! Legt euch in die Riemen!« sagt der Wächter an der Pinne. Nach weniger als zehn Minuten sind wir in der Strömung, die durch die Meerenge zwischen Royale und Saint -Joseph entsteht. Mit einemmal wird mir die Kehle eng. Dutzende Rückenflossen kommen aus dem Meer hervor, die Haifische tummeln sich in einem immer enger werdenden Kreis von ungefähr vierhundert Meter um uns herum. Da sind sie, die Leichenfresser, sie kommen zur rechten Zeit und an den rechten Ort zum Rendezvous mit einem Sträfling.
    Möge Gott geben, daß sie nicht Zeit haben, meinen Freund zu packen. Die Ruder sind aus dem Wasser, das Zeichen des Abschieds, die Kiste wird hochgehoben. Eingewickelt in die Mehlsäcke, gleitet Matthieus Körper, vom Gewicht des großen Steines gezogen, rasch ins Meer.
    Entsetzlich! Kaum ist er ins Wasser gesunken, und ich glaubte, er sei verschwunden, steigt er wieder an die Oberfläche empor, von, ich weiß nicht wieviel, von sieben, zehn oder zwanzig Haien hinaufgehoben. Bevor sich das Boot noch entfernen kann, sind die Mehlsäcke, die ihn einhüllen, heruntergerissen, und jetzt geschieht etwas Unbeschreibliches. Matthieu taucht zwei, drei Sekunden lang senkrecht aus dem Wasser auf. Der rechte Unterarm ist ihm schon amputiert. Mit dem halben Körper außerhalb des Wassers, bewegt er sich geradewegs auf das Boot zu, und dann erst saugt ihn ein starker Wirbel auf Nimmerwiedersehen in die Tiefe. Die Haie sind unter unserem Boot hindurchgeschwommen, haben es von unten angestoßen, und ein Mann hätte beinahe das Gleichgewicht verloren und wäre ins Wasser gefallen. Alle, auch die Wärter, sind vor Entsetzen wie versteinert. Zum erstenmal wünschte ich zu sterben. Es hat wenig gefehlt, daß ich mich den Haien vorgeworfen hätte, um auf immer aus dieser Hölle zu verschwinden.
    Langsam steige ich vom Kai zum Lager hinauf. Niemand begleitet mich. Ich habe die Tragbahre auf die Schulter genommen und komme zu der Stelle, wo mein Büffel Brutus von Danton angegriffen wurde. Ich halte an und setze mich. Die Nacht ist eingefallen, ob-. wohl es erst sieben Uhr ist. Im Westen ist der Himmel noch von einem allerletzten Widerschein der untergegangenen Sonne erhellt. Der übrige Himmel ist schwarz, von Zeit zu Zeit von Strahlenbündeln des Leuchtfeuers durchstoßen. Mir ist das Herz schwer.
    Himmel, Arsch noch mal! Du hast doch immer ein Begräbnis sehen wollen, und noch dazu eines von deinem Kumpel? Gut. Jetzt hast du es gesehen, und du hast es richtig gesehen. Du hast die Glocke erlebt und alles übrige auch. Bist du jetzt zufrieden? – Deine krankhafte Neugier ist gesättigt. Bleibt nur noch, den Kerl zu erledigen, der deinen Freund getötet hat. Wann? In dieser Nacht schon? Nein, es ist noch zu früh. Der Kerl wird ganz besonders auf der Hut sein. Sie sind zu zehnt in sein er Hütte. Sei nicht idiotisch und übereile die Sache nicht. Sieh erst zu, auf wie viele Männer du zählen kannst. Vier plus mich macht fünf. Das genügt.
    Der Kerl wird liquidiert. Möglich, daß ich auf die Teufelsinsel komme. Dort brauche ich kein Floß, keine Vorbereitung, nichts. Zwei Säcke mit Kokosnüssen, und ich schmeiß mich ins Meer. Die Entfernung bis zur Küste ist verhältnismäßig kurz, Luftlinie vierzig Kilometer. Mit Wellengang, Winden und Flut und Ebbe hundertzwanzig. Das ist nichts als eine Frage der Ausdauer, der Kraft. Ich bin stark, und zwei Tage im Meer, auf meinem Sack reitend, das müßte ich schaffen.
    Ich nehme die Bahre und steige zum Lager hinauf. Wie ich an der Tür ankomme, werde ich durchsucht. Eine ungewöhnliche Sache. Das kommt niemals vor. Der Aufseher nimmt mir mein Messer weg.
    »Wollen Sie, daß man mich tötet? Warum werde ich entwaffnet? Wissen Sie, daß Sie mich damit in den Tod schicken? Wenn man mich umbringt, ist das ihre Schuld.« Niemand antwortet, weder die Aufseher noch die arabischen Türwächter. Ich öffne die Tür und trete in den Saal: »Man sieht ja hier nichts, warum brennt nur eine Lampe anstatt drei?«
    »Papi, komm her!« Grandet zieht mich am Ärmel. Im Saal ist

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