Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
Vom Netzwerk:
einverstanden sind.
    »Ihr seid von der Teufelsinsel geflüchtet?«
    »Nein. Wir kommen aus Georgetown, aus Britisch-Guayana.«
    »Warum seid ihr nicht dortgeblieben?«
    »Man verdient sich dort das Leben zu schwer.«
    Er lächelt und sagt dann: »Glaubt ihr, daß ihr es hier besser haben werdet als bei den Engländern?«
    »Ja, denn wir sind Romanen. Wie ihr.«
    Eine Gruppe von sieben, acht Männern tritt zu unserem Kreis, an ihrer Spitze ein Mann von einigen Fünfzig, weißhaarig, mehr als einsfünfundneunzig groß, die Haut von der Farbe sehr heller Schokolade. Seine großen schwarzen Augen verraten Intelligenz und eine ungewöhnliche Stärke des Gemüts. Seine Hand liegt auf dem Griff eines Säbels, der an seinem Oberschenkel herunterhängt.
    »Was wollen Sie mit diesen Männern machen, Präfekt?«
    »Ich werde sie ins Gefängnis von Guiria bringen.«
    »Warum lassen Sie sie nicht mit uns zusammenleben, in unseren Familien? Jede Familie würde einen aufnehmen.«
    »Das geht nicht, der Gouverneur hat es anders befohlen.«
    »Aber sie haben auf venezolanischem Boden kein Verbrechen begangen.«
    »Zugegeben. Trotzdem, es sind sehr gefährliche Männer. Denn wenn sie zu Bagnostrafen verurteilt wurden, müssen sie schon sehr schwere Verbrechen begangen haben. Außerdem sind sie ohne Identitätsausweise geflüchtet, und ihre Heimatpolizei wird sie bestimmt anfordern, wenn sie erfährt, daß sie sich in Venezuela aufhalten.«
    »Wir möchten sie aber bei uns haben.«
    »Das ist nicht möglich. Befehl des Gouverneurs.«
    »Alles ist möglich. Was weiß der Gouverneur schon von solchen armen Elenden? Ein Mensch ist nie verloren. Was immer er verbrochen hat, an einem bestimmten Punkt seines Lebens gibt es immer eine Chance, aus ihm wieder einen guten Kerl zu machen, der der Gesellschaft nützlich ist. Sagt, ist es nicht so?«
    »Ja«, rufen alle im Chor, die Männer wie die Frauen. »Lassen Sie sie bei uns, wir werden ihnen helfen, ein neues, ein anderes Leben zu beginnen. In den acht Tagen haben wir sie genügend kennengelernt, und es sind bestimmt brave Burschen.«
    »Zivilisiertere Leute, als wir sind, haben sie hinter Schloß und Riegel getan, damit sie nichts mehr verbrechen können«, wendet der Präfekt ein.
    »Was nennen Sie Zivilisation, Chef?« frage ich. »Sie meinen, weil wir Lifts haben, Flugzeuge und eine Untergrundbahn, daß das ein Beweis dafür ist, daß die Franzosen zivilisierter sind als diese einfachen Menschen hier, die uns aufgenommen und versorgt haben? Meiner bescheidenen Meinung nach, das möchte ich Ihnen nur sagen, gibt es hier mehr K ultur und größere Herzensbildung und ein tieferes menschliches Verständnis in jedem einzelnen von euch als bei uns in Frankreich. Wenn diese Menschen hier, die nichts anderes um sich her haben als die Natur und ein paar Hütten und ein paar Geräte und ein wenig zu essen, keine Leckerbissen, und wenn sie auch keinen Anteil haben an den Wohltaten des Fortschritts, so haben sie sich dafür den Sinn für die christliche Barmherzigkeit in weit höherem Maße bewahrt als alle sogenannten Zivilisierten. Ich ziehe einen Analphabeten in diesem kleinen Fischerdorf jedem Absolventen der Sorbonne in Paris vor, sobald dieser nach seinem Studium eines Tages die Seele des Staatsanwaltes hat, der meine Verurteilung erwirkte. Der eine bleibt immer ein Mensch, der andere hat vergessen, daß er einer ist.«
    »Ich verstehe Sie. Trotzdem bin ich nur ein ausführendes Organ, sonst nichts. Da kommt schon der Lastwagen. Bitte helfen Sie mir durch Ihr Verhalten, daß alles ohne Zwischenfall abgeht.«
    Jede Gruppe der Frauen umarmt den, um den sie sich angenommen hat. Tibisay, Nenita und die »Negrita«
    weinen heiße Tränen, während sie mich küssen. Jeder Mann drückt uns fest die Hand und beteuert damit, wie leid es ihnen tut, daß wir ins Gefängnis müssen.
    Auf Wiedersehen, ihr Menschen von Irapa, die ihr so großherzig wart und den Mut hattet, euch gegen die Behörden eures eigenen Landes zu stellen und sie dadurch zu beschämen, daß ihr ein paar unbekannte arme Teufel verteidigtet. Das Brot, das ich bei euch gegessen habe und das ihr euch vom eigenen Mund weggenommen habt, um es mir zu geben, dieses Brot der Bruderschaft unter den Menschen ist für mich zum Symbol alter Zeiten geworden: »Du wirst nicht töten, du wirst denen Gutes erweisen, die leiden, selbst wenn du dich deswegen von allem entblößen mußt. Hilf allen, die unglücklicher sind als du.« Und wenn ich eines

Weitere Kostenlose Bücher