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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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nichts rührt sich. So beginne ich also wieder von Flucht zu reden. Toto will nichts davon wissen. Die andern auch nicht. Um den Fluß auszukundschaften, habe ich mir eine Angelschnur und Angelhaken beschafft. Folglich verkaufe ich jetzt auch Fische, insbesonders die berühmten Cariben, Raubfische, die bis zu einem Kilo wiegen und deren Zähne ähnlich angeordnet sind wie bei den Haien. Und genauso gefährlich.
    Heute gibt’s einen großen Krach. Gaston Duranton, genannt »Der Schiefe«, ist geflüchtet und hat aus der Eisenkasse des Direktors sechzigtausend Bolivar mitgehen lassen. Dieser Schwere hat eine originelle Lebensgeschichte. In seiner Jugend war er schon in der Korrektionsanstalt auf der Insel d’Oleron und arbeitete in der Schusterwerkstatt. Eines Tages reißt ihm der Lederriemen, der unter dem Fuß des Schusters durchläuft und mit dem er den Schuh auf seinem Knie festhält. Dabei kegelt er sich das Hüftgelenk aus. Durch eine falsche Behandlung wurde die Hüfte nur zur Hälfte wieder eingerenkt, so daß er seine ganze Jugend hindurch bis ins Mannesalter hinein hüftlahm blieb.
    Ihn gehen sehen tat weh: der magere, windschiefe Bursche konnte sich nur vorwärtsbewegen, indem er das ihm nicht gehorchende Bein mit einer ruckartigen Drehung nachzog. Kein Wunder, daß er die Korrektionsanstalt nach jahrelangem Aufenthalt als Dieb verließ.
    Alle Welt nennt ihn den »Schiefen« oder das »Drehbein«. Fast niemand kannte seinen wirklichen Namen, Gaston Duranton. Der »Schiefe« ist er, das »Drehbein« bleibt er. Aber aus dem Bagno flüchtete er trotz seinem lahmen Bein und kam bis nach Venezuela. Das war zur Zeit des Diktators Gomez, dessen Terrorregime nur wenige Bagnosträflinge durchgestanden haben. Unter ihnen war der Arzt Bougrat, denn er rettete der ganzen Bevölkerung der Perleninsel Margarita, wo eine Gelbfieberepidemie ausgebrochen war, das Leben. Der Schiefe wurde von der »Sagrada«, der »Verfluchten«, so nannte man Gomez’ Spezialpolizei, zu den Straßenarbeiten geschickt. Die Gefangenen waren an Kugeln angekettet, auf denen die Lilie von Toulon eingraviert war, und wenn Franzosen unter ihnen waren und sich über die entsetzliche Last beschwerten, wurde ihnen gesagt: »Aber diese Ketten, diese Handschellen und diese Eisenkugeln kommen doch aus deiner Heimat, seht euch nur die Lilie an!« Kurzum, der Schiefe ist aus dem Lager geflüchtet, wo er bei Straßenarbeiten eingesetzt war, und hat einiges mitgehen lassen. Wenige Tage später wieder eingefangen, bringt man ihn in diese Art Durchzugslager zurück. Vor allen Gefangenen wird er nackt auf den Bauch gelegt und zu hundert Schlägen mit dem Ochsenziemer verurteilt.
    Es kommt sehr selten vor, daß ein Mann mehr als achtzig Schläge übersteht. Die Chance des Schiefen war seine Magerkeit, denn da er flach auf dem Bauch lag, konnten ihn die Schläge nicht an der Leber erwischen, die zerreißt, wenn man zu stark daraufschlägt. Es ist üblich, nach einer solchen Auspeitschung, wo der Hinterteil zu Hackfleisch wird, Salz auf die Wunden zu streuen und den Mann in der Sonne liegen zu lassen.
    Dennoch bedeckt man seinen Kopf mit einem großen Blatt, da er ja an den Schlägen sterben soll und nicht an einem Sonnenstich.
    Der Schiefe überlebt die Folter, und als er sich zum erstenmal aufstellt, welche Überraschung – ist er nicht mehr schief. Die Schläge haben seine falsch zusammengeheilte Hüfte wieder eingerenkt und an den richtigen Platz gerückt. Die Soldaten und Gefangenen hielten es für ein Wunder, anders konnten sie es gar nicht begreifen. Man glaubt in diesem abergläubischen Land, daß Gott ihn für die so tapfer ertragenen Qualen habe belohnen wollen. Von dem Tag an nahm man dem Drehbein die Eisen ab. Man begünstigte ihn, und er wurde Wasserträger für die Zwangsarbeiter. Sein Körper entwickelte sich schnell, er aß viel, und so wurde ein großer, athletischer Bursche aus ihm.
    Frankreich wußte, daß französische Bagnosträflinge zum Straßenbau in Venezuela verwendet werden. Da man in Paris dachte, daß diese Energien besser für Französisch-Guayana ausgenützt werden könnten, wurde der Marschall Franchet d’Esperey mit der Mission betraut, vom Diktator, der über diese unbezahlten Arbeitskräfte glücklich war, in aller Höflichkeit die Auslieferung dieser Männer an Frankreich zu erbitten.
    Gomez ist einverstanden, und im Hafen von Puerto Cabello kommt ein Schiff an, um die Leute abzuholen.
    Und bei dieser Gelegenheit kam der

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