Papillon
Daher gibt es nur zwei Möglichkeiten, Herr Direktor: entweder Sie finden für die Leute eine andere Arbeit, als die anderen Gefangenen leisten müssen, oder sie gehen überhaupt nicht zur Arbeitsstelle. Bleiben die Männer mit allen übrigen zusammen, werden sie eines Tages doch von einem unserer Soldaten geschlagen werden.«
»Wir werden sehen. Für den Augenblick lassen wir sie im Lager. Morgen werde ich sagen, was weiter zu tun ist.« Und der Direktor geht in Begleitung seines Schwagers weg.
Ich danke den Offizieren. Sie geben uns Zigaretten und versprechen uns, bei der Verlesung des Abendrapports den Offizieren und Soldaten zur Kenntnis zu bringen, daß wir unter keinen Umständen geschlagen werden dürfen.
Jetzt sind wir schon acht Tage lang hier. Wir arbeiten nicht mehr. Gestern, Sonntag, hat sich eine schreckliche Sache zugetragen: Die Kolumbier haben darum gelost, wer den Oberaufseher Negro Blanco töten muß. Das Los fiel auf einen Mann von einigen dreißig Jahren. Er bekam einen Eisenlöffel, dessen Griff auf beiden Seiten scharf geschliffen war. Mutig hat der Mann den mit seinen Freunden geschlossenen Pakt erfüllt. Er hat den Negro Blanco dreimal ins Herz gestochen. Der Oberaufseher wurde eiligst ins Spital gebracht, der Attentäter an einen Pfahl in der Mitte des Lagers gebunden. Dann durchsuchten die Soldaten wie die Wahnsinnigen alle und alles, ob nicht sonst noch Waffen vorhanden waren. Es hagelte Schläge von allen Seiten. In ihrer wilden Wut hat einer von ihnen, da ich nicht schnell genug meine Hose auszog, mir mit seinem Ochsenziemer einen Hieb auf den Oberschenkel versetzt. Barriere packt eine Bank und hebt sie über den Kopf des Soldaten. Ein anderer Soldat durchbohrt Barriere mit einem Bajonettstich den Arm. Im selben Augenblick, da ich den Soldaten, der mich geschlagen hat, mit einem Tritt in den Bauch zu Boden gestreckt habe und sein Gewehr aufhebe, dringt mit dröhnender Stimme ein Befehl bis zu uns her:
»Halt! Rührt die Franzosen nicht an! Franzose, laß das Gewehr aus!«
Es ist Hauptmann Flores, der diesen Befehl brüllte, jener Offizier, der uns am ersten Tag empfangen hat.
Sein Eingreifen kam genau in der Sekunde, da ich in den Haufen hineinschießen wollte. Ohne ihn wären vielleicht zwei oder drei draufgegangen, gewiß aber hätten wir unser Leben lassen müssen, hätten es sinnlos verloren im letzten Winkel von Venezuela, am Ende der Welt, in diesem Bagno, wo wir nichts zu suchen haben. Dank dem energischen Dazwischentreten des Hauptmanns ziehen sich die Soldaten von unserer Gruppe zurück und stillen ihren Blutdurst woanders. Und nun nehmen wir an dem abscheulichsten Schauspiel teil, das man sich ausdenken kann. Das Opfer, der »Ronque«, in der Mitte des Lagers an den Pfahl gebunden, wird jetzt ohne Unterlaß gleichzeitig von drei Soldaten mit Peitschenhieben traktiert. Das dauerte von siebzehn Uhr bis morgens sechs Uhr früh. Es dauert verdammt lang, einen Menschen nur durch Schläge zu töten. Die kurzen Pausen der Metzelei wurden nur eingelegt, um von ihm die Namen seiner Komplizen zu erfahren, und wer ihm das Mordinstrument, den zum Dolch verwandelten Löffel, gegeben habe. Der Mann verriet niemanden, blieb standhaft trotz der Zusicherung, daß man ihn nicht mehr schlagen werde, sobald er spreche. Viele Male verlor er das Bewußtsein. Dann überschütteten sie ihn mit Wasser, damit er wieder zu sich kam, und die Tortur ging weiter.
Der Gipfelpunkt war um vier Uhr morgens erreicht: da bemerkten sie, daß der Gemarterte keinen Laut mehr von sich gab und die Schläge keine Bewegung mehr hervorriefen. Sie hielten ein.
»Ist er tot?« fragt ein Offizier.
»Wer weiß das.«
»Bindet ihn los und stellt ihn auf alle viere.«
Von vier Männern gehalten, steht er mehr oder weniger auf allen vieren. Daraufhin schlägt ihm einer von den Henkersknechten mit dem Ochsenziemer zwischen die Schenkel, und das Peitschenende ist sicherlich weit oberhalb der Geschlechtsteile gelandet. Dieser Meisterhieb eines Folterers entlockt dem »Ronque« endlich einen Schmerzensschrei.
»Weitermachen«, sagt der Offizier. »Er ist nicht tot.«
Bis zum Tagesanbruch schlugen sie auf ihn ein. Diese des Mittelalters würdige Auspeitschung, die kein Roß überstanden hätte – diesen »Ronque« brachte sie nicht um. Nachdem sie eine Stunde ausgesetzt und ihn mehrmals mit Wasser überschüttet hatten, fand er die Kraft, sich mit Hilfe der Soldaten aufzurichten. Einen Augenblick lang stand er ganz
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