Papillon
nur dazu bestimmt sei, uns zu einem wirklichen Schiff zu bringen, einem seetüchtigen. Und jetzt, wo ich merke, daß ich mich getäuscht habe, will ich das nicht eingestehen, um die Freunde nicht schon von vornherein zu entmutigen. Und außerdem habe ich, der das Ganze für völlig in der Ordnung zu halten schien, nicht plötzlich den Eindruck erwecken wollen, daß ich die Boote, die für gewöhnlich zur Flucht verwendet werden, gar nicht kenne.
Wir haben diesen ersten Tag damit zugebracht, zu reden und mit dem unbekannten Partner, Busch genannt, Bekanntschaft zu schließen. Die Affenhorden und eine winzige Eichhörnchenart flitzen über unseren Köpfen in gewaltigen Sprüngen hin und her durch die Luft. Eine Herde kleiner Wildschweine kommt, um zu trinken und zu baden. Es sind mindestens zweitausend. Sie schwimmen in die Bucht herein und reißen die herabhängenden Luftwurzeln ab. Ein Krokodil taucht wie aus dem Nichts auf und schnappt nach dem Bein eines Schweinchens, das zu quieken beginnt, als ob es schon verloren wäre, aber die Schweine greifen das Krokodil an, klettern darüber und versuchen, es in die riesigen Lefzen zu beißen. Jedesmal wenn das Krokodil mit dem Schwanz ausschlägt, nimmt rechts und links eines der Schweine Reißaus. Eines wird getroffen und saust mit dem Bauch nach oben durch die Luft. Unverzüglich fressen andere Krokodile es auf.
Die Vorstellung dauert zwanzig Minuten, die Bucht ist voller Blut. Das Krokodil hat sich ins Wasser gerettet, wir haben es nicht mehr wiedergesehen.
Gut ausgeschlafen und dann Kaffee gemacht. Mit einem dicken Stück Marseiller Seife, das wir im Boot gefunden haben, wasche ich mich. Maturette rasiert mich großzügig mit meinem Skalpell, dann schabt er Clousiot die Stoppeln herunter. Er selbst hat noch keinen Bart. Als ich nach meiner Wolljacke greife, um sie anzuziehen, hängt eine mächtige blauschwarze, haarige Spinne daran. Die Haare ihres Pelzes sind sehr lang, und jedes endet mit einer kleinen silbrigen Kugel. Das Biest muß mindestens fünfhundert Gramm wiegen, ich zertrete es angewidert.
Wir haben alles aus unserer Piroge herausgeholt, natürlich auch das Fäßchen mit Wasser. Das Wasser ist lila, ich glaube, Jesus hat zuviel Hypermangan hineingetan, um nur ja zu verhindern, daß es zu faulen beginnt. In fest verschlossenen Flaschen finden wir Streichhölzer und Reibpapier. Der Kompaß ist ein Schulkompaß, er kennt nur Norden, Süden, Osten und Westen, Zwischengrade hat er keine. Der Mast des Bootes mißt nur zwei Meter fünfzig. Wir binden in Trapezform die Mehlsäcke daran, um das Segel zu verstärken. Ich fabriziere einen kleinen Klüver in Form eines gleichschenkeligen Dreiecks, er soll dazu beitragen, daß das Boot mit der Nase über die Wellen hinaufsteigt.
Beim Setzen des Mastes bemerke ich, daß der Boden des Bootes nicht ganz dicht ist. Reichlich Bilgenwasser. Die Öffnung, in die der Mast eingesetzt wird, ist zerfressen und ausgeleiert, die Bolzen, mit denen ich die Angeln befestige, die das Steuerruder tragen sollen, versinken wie in Butter, der ganze Kahn ist morsch. Dieser Dreckfink Jesus schickt uns in den Tod! Ich zeige das alles nur ungern den beiden andern, aber ich kann es nicht verantworten, es vor ihnen geheim zu halten. Was sollen wir tun? Wenn Jesus wiederkommt, muß er uns ein besseres Boot verschaffen. Ich werde ihn zu diesem Zweck, mit Messer und Axt bewaffnet, ins Dorf begleiten müssen, um ein vernünftiges Vehikel auszusuchen. Ein enormes Risiko. Aber es ist weniger groß, als mit so einem Sarg in See zu stechen! Die Lebensmittel sind in Ordnung.
Eine große Flasche Öl dabei und mehrere Dosen Kassewamehl. Damit kommt man lange aus.
Am nächsten Morgen bietet sich uns ein seltenes Schauspiel: eine Affenbande mit grauen Gesichtern schlägt sich mit einer anderen mit samtigen schwarzen Gesichtern. Maturette bekommt in dem Tumult einen Zweig auf den Kopf und hat eine nußgroße Beule.
Wir sind jetzt schon fünf Tage und vier Nächte hier. Letzte Nacht hat es in Strömen geregnet. Wir schützen uns mit wilden Bananenblättern, das Wasser tropft an ihrem Firnis ab, und wir werden, bis auf die Füße, überhaupt nicht naß. Beim Kaffeetrinken denke ich darüber nach, wie kriminell sich Jesus verhalten hat. Er hat unsere Unerfahrenheit ausgenützt, um uns einen morschen Kahn anzudrehen. Um fünfhundert, höchstens tausend Franc zu ersparen, schickt er drei Menschen in den sicheren Tod. Ich frage mich, ob ich ihn nicht
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