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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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warten«, sagt Jesus. »Am siebenten werde ich euch Lebensmittel bringen.« Er zieht aus dem dichten Gebüsch ein aus einem Baumstamm verfertigtes, etwa zwei Meter langes Eingeborenenboot hervor, das mit zwei Rudern versehen ist, damit will er bei Flut nach Saint-Laurent zurück.
    Wir sind mit Clousiot beschäftigt. Wir haben ihn auf die Böschung gelegt, er ist noch immer im Hemd, seine Beine sind nackt. Wir holen uns mit der Axt trockene Zweige und machen schlecht und recht ein Paar Beinschienen daraus. Der Dicke zieht an dem verletzten Fuß. Schwere Schweißtropfen treten auf Clousiots Stirn. »Halt!« ruft er einen Augenblick später. »In dieser Lage jetzt habe ich weniger Schmerzen, der Knochen muß wieder eingerenkt sein.« Wir legen ihm die Schienen an das Bein und umwickeln sie mit der neuen Hanfschnur, die wir im Boot finden. Clousiot fühlt sich sichtlich erleichtert. Jesus hat von »Relegierten« vier Hosen, vier Hemden und vier wollene Matrosenblusen für uns gekauft. Maturette und Clousiot ziehen sich an, ich bleibe in den Sachen des Arabers. Dann trinken wir Rum, schon die zweite Flasche seit der Abfahrt, das belebt. Da die Moskitos unerträglich werden, müssen wir ein Paket Tabak opfern. Wir weichen es in einem Kessel ein und schmieren uns den Nikotinsaft ins Gesicht, auf Hände und Füße. Die wollenen Matrosenblusen sind prächtig, sie halten warm in dieser konstanten, alles durchdringenden Feuchtigkeit.
    »Wir gehen jetzt«, sagt der Dicke. »Und was ist’s mit den versprochenen tausend Eiern?« – Ich schlage mich in die Büsche und komme mit einem fabrikneuen Tausendfrancschein wieder.
    »Auf Wiedersehen. Und rührt euch in den acht Tagen keinen Meter hier weg«, sagt Jesus. »Am siebenten komme ich dann her, und am achten stecht ihr in See. Bis dahin habt ihr das Segel und den Klüver fertig.
    Und macht Ordnung im Boot. Bringt die Angeln für das Steuerruder an. Falls ich zehn Tage lang nicht kommen sollte, sind wir verhaftet worden. Da ihr die Aufseher angreifen mußtet, wird es zu einer blutigen Schießerei kommen.«
    Clousiot hat uns gestanden, daß er
seinen
Karabiner nicht an der Mauer liegengelassen hat. Er hat ihn darüber geworfen, und
da.
der Fluß so nah ist, was er nicht wußte, ist er bestimmt ins Wasser gefallen.
    Jesus meint, das sei gut, denn wenn man ihn nicht findet, werden die Menschenjäger glauben, daß wir bewaffnet sind, und sich nicht in Gefahr bringen wollen. Und da es Gefährlichere als sie nicht mehr gibt, wird in dieser Hinsicht nicht viel zu befürchten sein. Also – hoffentlich auf Wiedersehen! Sollten wir entdeckt werden und das Boot zurücklassen müssen, dann, rät Jesus, sollen wir es tiefer in den Busch verfrachten, wo kein Wasser mehr ist, und uns mit dem Kompaß nach Norden durchschlagen. Es sei möglich, daß wir dann in zwei bis drei Tagen auf das Todeslager »Charvin« stoßen. Dort sollen wir jemanden bestechen, der ihm, Jesus, Nachricht gibt, wo wir sind.
    Und damit gingen sie, die beiden ehemaligen Sträflinge. Ihr Eingeborenenboot verschwand, man hörte und sah nichts mehr.
    Im Busch kommt der Tag auf ganz besondere Weise. Es ist, als ob man sich unter Arkaden befände, die von oben beschienen werden, aber keinen einzigen Sonnenstrahl durchlassen. Es fängt an, warm zu werden.
    Nun sind wir allein, Maturette, Clousiot und ich. Unsere erste Reaktion ist, daß wir zu lachen beginnen. Das ist ja wie geschmiert gegangen! Das einzig Unangenehme ist das Bein von Clousiot. Er behauptet, jetzt, wo das Bein mit den Schienen aus Zweigen umwickelt ist, gehe es einigermaßen. Wir machen schnell Feuer, und jeder bekommt einen großen Becher schwarzen, mit Melasse gesüßten Kaffee. Es ist köstlich! Wir haben seit gestern abend viel Energie verbraucht, so viel, daß wir noch gar kein Lust haben, uns um unsere Sachen zu kümmern oder das Boot zu inspizieren. Das hat Zeit. Wir sind frei, frei, frei! Nach genau siebenunddreißig Tagen. Wenn uns die ganze Flucht gelingt, dann wird mein Lebenslänglich nicht lang gewesen sein. »Herr Vorsitzender«, frage ich, »wie lange dauert lebenslängliche Zwangsarbeit in Frankreich?« Und breche in Lachen aus. Maturette, der auch Lebenslänglich hat, lacht mit. »Laßt das Siegesgeheul«, knurrt Clousiot trocken, »Kolumbien ist weit, und das Boot da mit dem versengten Mast scheint für eine Meerfahrt kaum geeignet.« Ich erwidere nichts. Denn offengestanden hatte ich bis zu diesem Moment geglaubt, daß die Piroge von Jesus

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