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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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umbringen soll, nachdem ich ihn gezwungen haben werde, uns ein anderes Boot zu verschaffen.
    Die Rufe eines Eichelhähers – wir glauben zumindest, daß es einer sei – wiegeln unsere ganze kleine Welt auf. Sie sind so scharf und aufreizend, daß ich Maturette befehle, das Messer zu nehmen und den Schreihals suchen zu gehen. Er kommt nach fünf Minuten zurück und winkt mir, ihm zu folgen. Wir gelangen, etwa hundertfünfzig Meter vom Boot entfernt, an eine Stelle, wo wir an einem Ast einen herrlichen Fasan oder Wasservogel, doppelt so groß wie ein kräftiger Hahn, in der Luft hängen sehen. Er hat sich in einem Lasso verfangen und baumelt flügelschlagend an einem Fuß. Ich schneide ihm mit einem Hieb den Hals durch, um seinem schauerlichen Geschrei ein Ende zu machen, und nehme ihn aus der Schlinge. Er wiegt mindestens fünf Kilo und hat Sporen wie ein Hahn. Wir beschließen ihn zu verspeisen, überlegen aber, daß die Schlinge doch jemand gelegt haben muß und daß vielleicht noch mehr Schlingen in der Nähe sind.
    Wir kehren um und machen eine seltsame Entdeckung: Ungefähr zehn Meter von der Bucht befindet sich eine richtige Barriere aus Blättern und Lianen. Sie verläuft parallel mit dem Wasser. An mehreren Stellen sind Öffnungen, und in jeder hängt, mit Reisig getarnt, an zwei zusammengenommenen Ästen ein Lasso aus Messingdraht. Ich verstehe: das Tier soll an die Barriere stoßen und an ihr entlanglaufen, bis es eine Öffnung findet. Will es durch, so verfängt es sich in dem Messingdraht. Der Ast schnellt hoch, und das Tier bleibt in der Luft hängen, bis der Fallensteller kommt und es abnimmt.
    Diese Entdeckung bereitet uns Sorgen. Die Barriere ist gut erhalten, sie ist keineswegs alt. Wir sind also in Gefahr, entdeckt zu werden. Wir dürfen bei Tag kein Feuer machen. Nachts dürfte der Jäger nicht kommen.
    Wir beschließen Wache zu stehen, um die Fallengegend dauernd im Auge zu behalten. Das Boot liegt unter Zweigen verborgen, alles übrige ist zur Gänze im Busch versteckt.
    Am nächsten Vormittag um zehn Uhr halte ich Wache. Den Hahn, oder was es gewesen ist, haben wir abends zuvor verspeist. Die Suppe hat uns enorm gutgetan, und das Fleisch schmeckte, obwohl gekocht, köstlich würzig, jeder von uns hat zwei Schüsseln davon verdrückt. Ich halte also Wache. Über dem Anblick der großen schwarzen Mandiokaameisen, die gewaltige Blattstücke zu ihrem riesigen Ameisenhaufen schleppen, vergesse ich für eine Weile, wozu ich eigentlich hier bin. Die Ameisen sind fast eineinhalb Zentimeter lang, mit hohen Beinen. Ich verfolge sie bis zu der Pflanze, die sie entblättern, und bewundere ihre Arbeitsteilung. Da gibt es zuerst die Abschneiderinnen, die die Stücke nur vorbereiten; sie zwicken ein großes Bananenblatt ab, zerteilen es mit unglaublicher Geschicklichkeit in gleich große Stücke, die zur Erde fallen, unten steht eine Reihe Ameisen von der gleichen Art, sie unterscheiden sich nur durch einen grauen Streifen seitlich der Kiefer von denen, die oben auf den Blättern sitzen. Die Graugestreiften bilden einen Halbkreis und überwachen die Trägerinnen. Die Trägerinnen kommen in einer Reihe von rechts und laufen links zum Ameisenhaufen zurück. Jede nimmt ihre Last auf und reiht sich wieder ein. Doch im Eifer des Gefechtes kommt es dabei von Zeit zu Zeit zu einem Tohuwabohu. Dann laufen die Ameisenpolizisten herbei und vermitteln. Sie drängen die Arbeiterinnen an den Platz, den jede einnehmen muß. Welches todeswürdige Vergehen die Arbeiterin begangen hatte, die plötzlich von zwei Ameisengendarmen aus der Reihe herausgedrängt und in drei Teile zerbissen wurde, konnte ich freilich nicht erkennen. Einer der beiden Polizisten nahm dann den Kopf, der andere den Leib, und zugleich hielten sie zwei Arbeiterinnen an. Die legten sofort ihr Blattstück nieder, gruben mit den Beinen ein Loch, und bald waren Kopf, Brust und Unterleib der getöteten Ameise bestattet und mit Erde zugedeckt.
Die Taubeninsel
    Ich war so damit beschäftigt, zu erforschen, ob die Überwachung durch die Polizisten sich bis zum Ameisenhaufen selbst erstreckte, daß ich völlig perplex war, als mir jemand zurief: »Nicht rühren, oder ich schieße. Dreh dich um!«
    Vor mir steht ein Mann mit nacktem Oberkörper, in Kakhishorts und roten Lederstiefeln. Er hat eine Doppelbüchse in der Hand, ist mittelgroß, gedrungen und sonnenverbrannt. Sein Kopf ist kahl, Augen und Nase sind mit einer tiefblauen Tätowierung bedeckt. Mitten auf

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