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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Taubeninsel. Dort leben gegen zweihundert Leprakranke. Es gibt keinen Aufseher, und kein Gesunder läßt sich dort blicken, nicht einmal der Arzt. Täglich früh um acht Uhr schafft ein Boot die Lebensmittel für vierundzwanzig Stunden hinüber. Roh. Der Spitalaufseher gibt zwei Krankenschwestern, die selbst Lepra haben und für die Kranken sorgen, eine Kiste mit Medikamenten.
    Niemand, weder ein Aufseher noch ein Menschenjäger, noch ein Pfarrer, besucht je diese Insel. Die Kranken leben in kleinen Strohhütten, die sie selber herstellen. In einem Gemeinschaftssaal halten sie Versammlungen ab. Sie züchten Hühner und Enten, um ihre Kost aufzubessern. Offiziell können sie außerhalb der Insel nichts verkaufen, also handeln sie heimlich mit Saint-Laurent, Saint-Jean und mit den Chinesen aus Albina in Holländisch-Guayana. Sie sind alle gefährliche Mörder. Gegenseitig tun sie sich selten etwas, aber sie verlassen oft heimlich die Insel und kehren nach vollbrachter Tat, um sich zu verstecken, dahin zurück. Für solche Exkursionen verwenden sie Boote, die sie in den benachbarten Dörfern stehlen. Ein Boot zu besitzen gilt als ihr schwerstes Delikt. Die Posten schießen auf jeden Kahn, der die Taubeninsel verläßt oder dort landet. Was tun die Leprakranken? Sie füllen ihre gestohlenen Boote mit Steinen und versenken sie. Wenn sie eines brauchen, tauchen sie, räumen die Steine heraus, und das Boot schwimmt nach oben. Alle Rassen und Gegenden Frankreichs sind auf der Insel vertreten. Mit einem Wort: eure Piroge da kann dir nur auf dem Maroni nützlich sein, und das nur, wenn sie nicht zu sehr beladen ist.
    Um in See zu stechen, braucht ihr ein ganz anderes Schiff, am besten eben eines von der Taubeninsel.«
    »Wie soll man das machen?«
    »Paß auf. Ich werde dich den Fluß hinunterbegleiten, bis die Insel in Sicht ist, sonst findest du sie nicht, oder du verirrst dich elend. Sie liegt etwa hundertfünfzig Kilometer vor der Mündung, und man muß von hinten an sie heranfahren. Von Saint-Laurent sind es mehr als fünfzig Kilometer. Ich führe dich so nahe wie möglich an sie heran. Dann steige ich in meine Piroge um, die wir mitschleppen, und ihr geht auf die Insel.«
    »Warum kommst du nicht mit auf die Insel?«
    »Ja, von wegen!« sagt der Bretone. »Ich habe nur ein einziges Mal den Fuß auf den Landungssteg gesetzt, an dem das Schiff der Verwaltung anlegt. Mir hat genügt, was ich da gesehen habe. Nichts für ungut, Papi, aber ich würde nie mehr im Leben einen Schritt auf die Insel tun. Ich wäre auch nicht imstande, mein Grausen vor ihnen zu verbergen, geschweige denn mit ihnen zu reden oder zu verhandeln. Ich würde dir eher schaden als nützen.«
    »Wann starten wir?«
    »Sobald es finster wird.«
    »Wie spät hast du’s, Bretone?«
    »Drei.«
    »Gut. Ich leg mich etwas hin.«
    »Nichts da, du mußt deine Piroge startbereit machen.«
    »Aber nein – ich fahre mit der leeren Piroge hinüber und komm wieder zurück, um Clousiot zu holen. Er soll hier bei den Sachen bleiben.«
    »Ausgeschlossen! Du wirst diesen Platz hier nie wiederfinden, nicht einmal bei Tag! Und bei Tag darf man dich auf keinen Fall auf dem Fluß entdecken. Der Fluß ist Gefahr Nummer eins. Die Jagd nach euch ist noch nicht eingestellt.«
    Es wird Abend. Der Bretone hat seine Piroge geholt, wir hängen sie an die unsere. Clousiot sitzt neben dem Bretonen, der das Steuer betätigt, Maturette in der Mitte des Bootes, ich vorne. Es ist schwierig, aus der Bucht herauszukommen. Als wir den Fluß erreichen, fallt die Nacht herein. Der große, glutrote Sonnenball entzündet ein riesiges Feuerwerk am Horizont über dem Meer. Und die Feuer wetteifern miteinander, röter als rot, gelber als gelb, und sind am prächtigsten dort, wo die Farben sich mischen. Zwanzig Kilometer vor uns liegt die Mündung des majestätischen Flusses, der sich mit rosigem Silberschimmer ins Meer ergießt.
    »Die Ebbe hört auf«, sagt der Bretone, »in einer Stunde haben wir die Flut unter uns, mit ihr werden wir den Maroni hinaufkommen und auf diese Art die Insel mühelos erreichen, und ziemlich schnell.« Mit einem Schlag ist es Nacht.
    »Vorwärts«, sagt der Bretone, »hol kräftig aus, wir müssen in
die
Mitte kommen. Nicht rauchen!«
    Die Riemen tauchen ins Wasser, und wir drehen rasch quer zur Strömung. Der Bretone und ich rudern im gleichen Rhythmus, gut aufeinander abgestimmt. Maturette tut, was er kann. Je weiter wir zur Flußmitte kommen, desto deutlicher macht

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