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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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nicht. Klüver und Fock sind vorbereitet, Maturette wird sie setzen, sobald ich es für nötig halte.
    Um das Großsegel zum Stehen zu bringen, brauche ich nur die Leine zu lockern, mit der es an den Mast gebunden ist, ein Manöver, das ich ohne weiteres von meinem Platz aus bewerkstelligen kann. Maturette steht mit einem Ruder vorne, ich mit einem zweiten hinten. Wir müssen uns sehr stark und sehr rasch von der Böschung abstoßen, die Strömung drückt uns an sie an.
    »Achtung, vorwärts, und Gott sei uns gnädig!«
    »Gott sei uns gnädig!« wiederholen Clousiot und Maturette.
    Wir holen aus. Gemeinsam durchschaufeln wir mit den Ruderblättern das Wasser, ich tauche tief ein und wieder heraus, Maturette auch. Wir lösen uns ganz leicht vom Ufer. Kaum zwanzig Meter von der Böschung entfernt, haben wir mit der Strömung schon hundert Meter zurückgelegt. Da spüren wir plötzlich den Wind und stoßen gegen die Mitte des Flusses vor.
    »Setz den Klüver und das Focksegel, zurre beide fest!«
    Der Wind verfängt sich im Tuch, das Boot bäumt sich wie ein Gaul und flitzt dahin wie der Blitz. Es muß später sein, als wir annahmen, denn der Fluß wird auf einmal hell wie bei Tag. In etwa zwei Kilometer Entfernung können wir rechts die französische Küste ausnehmen, links, einen Kilometer vor uns, die holländische. Und vor uns tanzen, deutlich sichtbar, die weißen Schaumkronen der Wogenkämme.
    »Um Gottes willen! Wir haben uns um eine Stunde geirrt«, sagt Clousiot plötzlich. »Glaubst du, daß wir noch Zeit genug haben, auf See zu kommen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Schau, wie hoch die Wellen sind und wie weiß die Kämme! Hat die Flut schon eingesetzt?«
    »Unmöglich, ich sehe nur Sachen, die abwärts fließen.«
    »Wir werden nicht mehr hinaussegeln können, wir schaffen es nicht mehr«, sagt Maturette.
    »Halt die Schnauze und rühr dich nicht von deinen Tauen weg! Und auch du halt den Mund Clousiot!«
    Tack-iih … Tack-iih … Karabiner schießen auf uns. Den zweiten Schuß kann ich sehen. Sie kommen gar nicht von unseren Posten, sie kommen aus Holländisch-Guayana. Ich spanne das Segel, es bläht sich so heftig, daß es mich fast mitreißt. Das Boot neigt sich um mehr als fünfundvierzig Grad. Ich segle mit möglichst vollem Wind, was nicht schwer ist, es weht mehr als genug. Tack-iih … Tack-iih … Tack-iih … Dann wird es still. Wir werden näher an die französische Küste herangetragen als an die holländische, das ist sicherlich der Grund, warum sie das Feuer einstellen.
    Wir werden mit schwindelerregender Schnelligkeit vorwärtsgetrieben, der Wind bläst halsbrecherisch. Er treibt uns so stark der Mündung zu, daß wir in wenigen Minuten an das französische Ufer stoßen müssen.
    Wir sehen bereits deutlich Männer auf die Böschung zulaufen. Ich wende leicht, so leicht wie möglich, und ziehe mit aller Kraft an der Schot. Das Segel steht direkt vor meiner Nase, Fock und Klüver stagen allein, das Boot macht eine Dreiviertelwendung, ich lockere das Großsegel, und wir brausen mit Achterwind aus der Mündung hinaus. Puh – geschafft! Zehn Minuten später will uns die erste Woge des offenen Meeres den Weg versperren. Wir erklettern sie mühelos, und das Hui-Hui des Bootes auf dem Fluß verwandelt sich in ein Tacktacktack. Wir durchschneiden die Wogen mit der Leichtigkeit eines hüpfenden Gassenjungen.
    Tacktacktack … Das Boot steigt und sinkt in den Wellen, ohne zu vibrieren, ohne zu schlingern. Nichts als das Tacktacktack ist zu hören, mit dem der Rumpf die Wellen zurückschlägt.
    »Hurra, hurra! Wir sind draußen!« brüllt Clousiot aus vollen Lungen. Und um diesen Sieg unserer Energie über die Elemente ins volle Licht zu setzen, schickt uns der liebe Gott auch noch einen blendenden Sonnenaufgang. Die Wogen folgen einander in ganz gleichem Rhythmus. Je tiefer wir in See stechen, desto niedriger werden sie. Das Wasser ist hier schmutzig und voll Schlamm. Im Norden vor uns ist es schwarz, erst später wird es blau. Ich brauche nicht auf meinen Kompaß zu sehen. Die Sonne auf meiner rechten Schulter, drehe ich ganz rechts in den Wind, aber das Boot neigt sich jetzt weniger, weil ich die Schot fieren lasse. Das Segel bläht sich nur halb so stark. Das große Abenteuer beginnt.
    Clousiot richtet sich auf. Er reckt den Kopf aus dem Boot, um besser zu sehen. Maturette hilft ihm, sich mir gegenüber bequem aufzusetzen. An das Wasserfaß gelehnt, rollt er mir eine Zigarette, zündet sie an, und

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