Papillon
wie Frauen, rauchen mit der Glut im Mund. Die Bißwunde blutet nicht mehr, aber ein Stück Fleisch in der Größe eines halben Hundertsousstücks ist herausgerissen. Die Indianerin zupft rundherum die Haare aus und wäscht die Wunde mit Meerwasser, das ein kleines Mädchen geholt hat. Sie drückt gegen die Wunde, um sie zum Bluten zu bringen. Und damit nicht genug, schabt sie sie mit einem geschärften Stück Eisen aus und vergrößert sie. Ich gebe mir Mühe, nicht zu zucken, da mich alle beobachten. Ein anderes Mädchen, das helfen will, stößt die junge Indianerin brüsk zurück. Wieder beginnen alle zu lachen. Ich verstehe, daß sie mit dieser Geste ausdrücken wollte, daß ich ausschließlich ihr gehöre, was alle belustigt. Dann schneidet sie meine beiden Hosenbeine ein Stück über den Knien ab, zerdrückt Meeralgen, die man ihr gebracht hat, auf einem Stein, legt sie auf die Wunde und umwickelt sie mit den Streifen, die sie aus meinen Hosenbeinen gerissen hat. Zufrieden mit ihrem Werk, deutet sie mir, daß ich aufstehen kann.
Ich stehe auf und ziehe mir den Rock aus. Da bemerkt sie im Ausschnitt meines Hemdes den tätowierten Schmetterling an meinem Halsansatz. Sie schaut nach, entdeckt noch mehr Tätowierungen und zieht mir das Hemd aus, um sie sich anzuschauen. Alle, Männer wie Frauen, betrachten neugierig die Tätowierungen auf meiner Brust: rechts eine Geißelung von Calvi, links der Kopf einer Frau, über dem Magen der eines Tigers mit weit aufgerissenem Rachen, über der Wirbelsäule ein großer gekreuzigter Matrose und um die Hüften eine Jagd mit Jägern, Palmen, Elefanten und den gejagten Tigern. Die Männer drängen die Frauen zur Seite, sehen sich jede Tätowierung genau an und betasten sie. Nach dem Häuptling gibt jeder seine Meinung darüber ab. Von diesem Augenblick an werde ich von den Männern endgültig anerkannt. Die Frauen habe ich mir bereits erobert, als der Häuptling zu lächeln begann und meine Schulter berührte.
Gemeinsam gehen wir in die größte Hütte, und hier gerate ich völlig aus der Fassung. Die Hütte ist aus gestampfter roter Ziegelerde gebaut. Sie hat acht Türen, ist rund, und an dem Gebälk hängen, auf einer Seite, bunte Hängematten aus reiner Wolle in lebhaften, leuchtenden Farben. In der Mitte befindet sich eine runde, polierte braune Steinplatte und um sie herum Steinplatten zum Sitzen. An der Wand hängen mehrere doppelläufige Gewehre, ein Militärsäbel und dazwischen Bogen in allen Größen. Auch der Rückenpanzer einer Riesenschildkröte fällt mir auf, so groß, daß ein Mensch darauf schlafen könnte, und ein Kamin aus schön übereinandergelegten, sehr regelmäßig verkitteten Steinen. Auf dem Tisch liegt ein hohler halber Kürbis, in dem ein Häuflein Perlen liegt. Man reicht mir in einem Holzgefäß ein süßsaures Gebräu aus gegorenen Früchten, es schmeckt hervorragend. Dann bringt man mir auf einem Bananenblatt einen mindestens zwei Kilo schweren, über Holzkohlen zubereiteten Fisch. Man lädt mich ein, davon zu essen. Als ich mit dem köstlichen Fisch fertig bin, nimmt mich die Indianerin an der Hand und führt mich an den Strand, wo ich mir die Hände wasche und den Mund mit Meerwasser ausspüle. Dann sitzen wir wieder im Kreis in der Hütte. Die junge Indianerin sitzt neben mir, ihre Hand liegt auf meinem Schenkel, und wir versuchen uns mit Gesten und Worten übereinander Aufschluß zu geben.
Da erhebt sich der Häuptling, geht in den Hintergrund der Hütte und kommt mit einem kleinen weißen Stein wieder, mit dem er auf dem Tisch zu zeichnen beginnt. Zuerst nackte Indianer, das Dorf und das Meer.
Rechts davon Häuser mit Fenstern und angezogenen Menschen. Die Männer tragen ein Gewehr oder einen Stock. Links zeichnet er ein zweites Dorf, Männer mit Gewehren und Hüten und angezogene Frauen.
Nachdem ich mir die Zeichnung gut angesehen habe, merkt er, daß er etwas vergessen hat, und zeichnet einen Weg, der vom Indianerdorf in die Ansiedlung rechts, und einen zweiten, der in das Dorf zur Linken führt. Um mir die Lage der beiden anderen Dörfer zu seinem Dorf zu verdeutlichen, zeichnet er auf der venezolanischen Seite rechts eine runde Sonne, von der nach allen Seiten Strahlen ausgehen, und auf der Seite des kolumbischen Dorfes eine Sonne, die am Horizont mit einer Schlangenlinie abgeschnitten ist.
Irrtum ausgeschlossen. Auf einer Seite geht die Sonne auf, auf der andern unter. Stolz betrachtet der junge Häuptling sein Werk, und alle sehen
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