Papillon
es der Reihe nach an. Als er merkt, daß ich verstanden habe, was er mir sagen will, nimmt er die Kreide und bedeckt die beiden Dörfer links und rechts von dem seinen mit Strichen. Damit will er offenbar sagen, daß die Menschen in den anderen Dörfern böse sind, daß er nichts mit ihnen zu tun haben will und daß nur sein eigenes Dorf gut ist.
Mit einem feuchten Wollappen wird der Tisch abgewischt, dann drückt er mir das Stück Kreide in die Hand, damit ich meine Geschichte erzähle. Das ist viel komplizierter. Ich zeichne einen Mann mit gebundenen Händen und zwei Bewaffnete, die ihn ansehen. Dann denselben Mann laufend, und die beiden Männer, die ihn mit angelegtem Gewehr verfolgen. Ich zeichne das Ganze dreimal, und mich jedesmal etwas weiter von meinen Verfolgern entfernt. Zuletzt stehen die Polizisten, und ich laufe auf das Indianerdorf zu, das ich mit den Einwohnern, Männern und Frauen, mit dem Hund und dem Häuptling aufzeichne, der mir die Arme entgegenstreckt.
Die Zeichnung muß mir nicht schlecht gelungen sein, denn nach einem längeren Palaver der Männer untereinander öffnet der Häuptling wie auf meiner Zeichnung die Arme. Sie haben verstanden.
Die Indianerin führt mich abends in ihre Hütte, in der sechs Indianerinnen und vier Indianer leben. Sie richtet eine prächtige, sehr breite bunte Wollhängematte her, in der zwei Menschen bequem der Quere nach liegen können. Ich lege mich aber der Länge nach hinein, während sie sich in eine andere der Quere nach legt. Ich tue das gleiche. Daraufhin kommt sie und legt sich an meine Seite. Sie berührt meinen Körper, die Ohren, die Augen und den Mund mit ihren langen, feinen, aber sehr rauhen Fingern, die voll kleiner geriffelter Narben sind, die von den Schnittwunden stammen, die sie sich an den Korallen zuzieht, wenn sie nach Perlmuscheln taucht. Ich streichle ihr das Gesicht. Sie nimmt meine Hand und ist sehr erstaunt, daß sie so weich und ohne Hornhaut ist. Nach dieser in der Hängematte verbrachten Stunde stehen wir auf und kehren in die große Hütte des Häuptlings zurück. Man zeigt mir die Gewehre. Es sind Saint-Etienne-Flinten, Kaliber 12 und 16, mit einem Magazin für sechs Doppelnullpatronen.
Die Indianerin ist mittelgroß, hat eisengraue Augen wie der Häuptling, ein reines Profil und trägt das Haar, das ihr bis an die Hüften reicht, in der Mitte gescheitelt und zu Zöpfen geflochten. Ihre Brüste sind wunderschön, hoch und birnenförmig. Die Spitzen sind dunkler als die kupferfarbene Haut und sehr lang. Sie beißt, statt zu küssen. Küssen kennt sie nicht, aber ich habe ihr diese zivilisierte Sitte schnell beigebracht.
Sie will nicht an meiner Seite gehen, dort hat sie nichts zu suchen, sie geht hinter mir. Eine der Hütten ist unbewohnt und in schlechtem Zustand. Mit Hilfe einiger anderer Frauen bessert sie das Dach mit Kokosblättern aus, die schadhafte Wand mit roter Tonerde. Die Indianer haben viele Sorten Eisengeräte: Messer, Dolche, Schlachtmesser, Äxte, Hacken und eine Gabel mit Eisenzähnen. Sie kennen Geräte aus Kupfer, aus Aluminium, haben Gießkannen, Pfannen, einen Schleifstein, einen Ofen, Eisen- und Holzfässer.
Ihre großen Hängematten aus reiner Wolle sind mit geflochtenen Fransen und mit Mustern in starken Farben verziert.
Das Haus ist bald fertig, und sie beginnt damit, es einzurichten. Die Sachen dazu bekommt sie von anderen Indianern: ein Eselsgeschirr, einen eisernen Dreifuß zum Feuermachen, eine Hängematte, in der gleich vier Erwachsene der Quere nach liegen können, Gläser, Töpfe aus Weißblech, Pfannen und so weiter.
Wir streicheln uns gegenseitig fast vierzehn Tage lang, seit ich hier bin, aber sie weigert sich heftig, bis ans Ende zu gehen. Ich verstehe das nicht, denn
sie
war es doch, die mich herausgefordert hat, aber im gegebenen Moment will sie das Letzte nicht. Außer dem Stück Stoff, das ihre Scham verbirgt und das sie mit einer dünnen Schnur um die zarte Taille trägt, hat sie nie etwas an. Ihr Popo ist ganz nackt. Ohne jede Zeremonie richten wir uns in dem Häuschen ein, das drei Türen hat, eine in der Mitte, das ist der Haupteingang, und zwei weitere, die einander gegenüberliegen. Die Verbindungslinien zwischen diesen drei Türen in dem kreisförmigen Haus bilden ein gleichschenkeliges Dreieck. Sie haben jede ihren ganz bestimmten Zweck. Ich zum Beispiel muß stets durch die Tür im Norden ein und aus gehen. Sie muß die Tür im Süden benützen. Ich darf nie durch ihre Tür
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