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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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und durch naß gewesen, haben wir nichts zu uns genommen als den Klumpen Rohzucker am ersten Tag. Antonio scheint jetzt sicher, daß wir niemandem Unrichtigen mehr begegnen werden. Er springt unbekümmert dahin und hat seit mehreren Stunden das Ohr nicht mehr an die Erde gelegt. Er schneidet sich einen Stock. Wir verlassen den Weg an der Küste und gehen durch den feuchten Sand. Plötzlich bleibt Antonio stehen und betrachtet eine große, flache Spur, die vom Meer herauf bis auf den trockenen Sand führt. Wir folgen ihr und gelangen an eine Stelle, an der sie sich kreisförmig erweitert.
    Hier steckt Antonio seinen Stock hinein. Beim Herausziehen klebt eine gelbe Flüssigkeit daran, wie Eigelb.
    Ich helfe ihm, ein Loch in den Sand zu graben, und bald stoßen wir tatsächlich auf Eier, auf die Eier einer Seeschildkröte, drei- bis vierhundert. Die Eier haben keine Schale, nur eine Haut. Wir geben vielleicht hundert davon in Antonios Hemd, das er ausgezogen hat, dann verlassen wir den Strand, überqueren den Weg und ziehen uns in den Busch zurück. Vor neugierigen Blicken geschützt, beginnen wir unsere Mahlzeit.
    »Nur das Gelbe«, sagt mir Antonio. Mit einem Biß seiner Wolfszähne trennt er die Haut durch, die das Ei umgibt, läßt das Eiweiß herauslaufen und schlürft dann das Eigelb, eins er, eins ich. Er öffnet eine ganze Menge, schlürft eines aus und reicht mir das nächste. Bis zum Zerplatzen gesättigt, strecken wir uns auf unseren Jacken, die wir als Kopfkissen benutzen, behaglich aus.
    »Manana tu sigues solo dos dias mas. De manana en adelante no hay policias. – Morgen setzt du den Weg noch zwei Tage fort. Von morgen ab gibt es keine Polizisten mehr.«
    Um zehn Uhr abends passieren wir den letzten Grenzposten. Wir erkennen ihn an dem Hundegebell und dem mit Lichtern gespickten Häuschen. Das alles wird von Antonio meisterhaft umgangen. Dann marschieren wir die ganze Nacht lang ohne jede Vorsichtsmaßnahme. Der Weg ist nicht breit, es ist mehr ein Pfad, doch muß er häufig benützt werden, da kein Gras darauf wächst. Er ist an die fünfzig Zentimeter breit und führt ungefähr zwei Meter hoch über dem Strand am Busch entlang. Stellenweise sind Abdrücke von Pferde- und Eselshufen zu sehen. Antonio läßt sich auf einer Baumwurzel nieder und deutet mir, mich ebenfalls zu setzen. Auf meiner Uhr ist es elf, aber der Sonne nach, die uns hart zusetzt, muß es Mittag sein.
    Der kleine Stock, den wir in die Erde stecken, wirft keinen Schatten, also
ist
es Mittag, und ich stelle mein Uhr auf zwölf. Antonio leert seine letzten Kokablätter aus, es sind noch sieben. Er gibt mir vier davon und behält sich drei. Ich gehe ein Stück in den Busch und komme mit hundertfünfzig westindischen Dollar und sechzig holländischen Gulden zurück, die ich ihm hinstrecke. Er sieht mich erstaunt an, berührt die Scheine, wundert sich, wieso sie so neu aussehen und kein bißchen feucht sind, da ich sie doch nie irgendwann habe trocknen lassen. Er bedankt sich, nimmt die Scheine, überlegt eine Weile, dann nimmt er sechs Scheine zu fünf Gulden, also dreißig Gulden, und gibt mir das übrige wieder. Obwohl ich darauf bestehe, daß er alles behält, weigert er sich. In diesem Moment geht eine Veränderung in ihm vor. Wir hatten beschlossen, uns hier zu trennen, aber es sieht so aus, als wollte er mich jetzt noch einen Tag begleiten. Dann erst will er umkehren, gibt er mir zu verstehen. Schön. Nachdem wir noch ein paar Eigelb geschlürft und eine Zigarre geraucht haben, was recht mühsam war, denn wir mußten eine ganze Weile zwei Steine aneinanderreihen, um ein Büschel trockenes Moos in Brand zu setzen, gehen wir weiter.
    Wir sind so gegen drei Stunden unterwegs, als von rechts ein Mann zu Pferde auf uns zukommt. Er trägt einen riesigen Strohhut, Stiefel, statt der Hose eine Art Lederstrümpfe; er hat ein grünes Hemd und eine verwaschene grüne Militärjacke am Leib. Bewaffnet ist er mit einem sehr schönen Karabiner auf dem Rücken und einem riesigen Revolver im Gürtel.
    »Caramba! Antonio, hijo mio! Mein Sohn!« Schon von weitem hatte Antonio den Reiter erkannt, ohne es mir zu verraten. Der große, kupfergesichtige, etwa vierzigjährige Mann springt vom Pferd, und die beiden schlagen sich gegenseitig auf die Schultern, eine Begrüßung, die ich bald überall antreffen sollte.
    »Und der da?«
    »Companero de fuga – Fluchtkamerad, ein Franzose.«
    »Wo willst du hin?«
    »Wenn möglich, zu den

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