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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Indianerfischern.«
    Er selber möchte durch das Indianergebiet nach Venezuela oder irgendwie nach Aruba oder Curacao zurückkehren.
    »Indianer Goajira schlecht«, sagt der Mann zu mir. »Du bist nicht bewaffnet. Toma! Nimm!« Er gibt mir einen Dolch mit Lederscheide und einem Griff aus poliertem Hörn. Wir setzen uns an den Wegrand. Ich ziehe meine Schuhe aus, meine Füße bluten. Antonio und der Ältere wechseln rasch ein paar Worte. Mein Plan, Goajira zu durchqueren, scheint ihnen nicht zu gefallen. Ich nehme meine Schuhe über die Schulter, um die Wunden an meinen Füßen trocknen zu lassen. Antonio gibt mir durch Gesten zu verstehen, daß ich das Pferd besteigen soll. Der Reiter steigt auf, Antonio hilft mir, und ehe ich mich’s versehe, werde ich hinter Antonios Freund im Galopp davongetragen. Den ganzen Tag und die ganze Nacht galoppieren wir. Von Zeit zu Zeit halten wir an und trinken einen Schluck Anisschnaps. Bei Tagesanbruch sitzen wir ab. Die Sonne geht auf. Er gibt mir ein Stück steinharten Käse und zwei Stück Zwieback, sechs Kokablätter und schenkt mir auch noch einen wasserdichten Beutel, der am Gürtel befestigt wird. Dann drückt er mich an die Brust, schlägt mir auf die Schultern, wie er es Antonio machte, schwingt sich wieder auf sein Pferd und ist weg.
Die Indianer
    Ich marschiere bis ein Uhr mittags. Kein Baum, kein Busch mehr am Horizont. Das Meer funkelt silbern unter der sengenden Glut. Ich gehe barfuß, ich trage die Schuhe noch immer über der linken Schulter. Gerade als ich beschließe, mich niederzulegen, kommt es mir so vor, als sähe ich, etwas vom Strand landeinwärts, ein paar Bäume oder Felsen. Ich versuche, ihre Entfernung abzuschätzen: zehn Kilometer. Rasch stecke ich ein dickes halbes Kokablatt in den Mund und ziehe los. Eine Stunde darauf entdecke ich, daß es Hütten sind, mit Dächern aus Stroh oder Schilf oder einfach nur aus hellbraunen Blättern. Aus einer der Hütten steigt Rauch auf. Auch Menschen sehe ich, die mich gesehen haben müssen, denn sie rufen und zeigen auf etwas in Richtung des Meeres. Ich sehe vier Boote, die sich rasch dem Strand nähern. Etwa zehn Menschen steigen aus. Alle stehen vor den Häusern versammelt und schauen zu mir her. Ich sehe, daß sie nackt sind.
    Nur vorne haben sie etwas, das ihr Geschlecht verhüllt. Langsam gehe ich auf sie zu. Drei Männer stehen auf ihren Bogen gestützt und halten einen Pfeil in der Hand. Keine Geste, weder feindlich noch freundlich.
    Ein Hund bellt und stürzt mir wie rasend entgegen. Er beißt mich unten in die Wade und nimmt ein Stück Hose mit… Als er neuerdings zum Angriff ansetzen will, kriegt er einen kleinen Pfeil ins Hinterteil. Ich sehe nicht, woher der Pfeil gekommen ist. (Später erfahre ich es: aus einem Blasrohr.) Der Hund kehrt heulend um und läuft in eines der Häuser. Ich gehe hinkend weiter und bin nur noch zehn Meter von der Gruppe entfernt. Niemand regt sich, niemand sagt etwas. Die Kinder verstecken sich hinter den Müttern. Die Leiber der Männer sind rothäutig und muskulös, einfach prachtvoll. Die Frauen haben feste hohe Brüste mit stark hervortretenden Spitzen. Eine einzige hat dicke Hängebrüste.
    Einer der Männer ist so nobel in seiner Haltung und seinen Gesichtszügen, seine edle Rasse drückt sich so unverhüllt in seinem Äußeren aus, daß ich direkt auf ihn zugehe. Er trägt weder Pfeil noch Bogen, ist ebenso groß wie ich und hat kurzgeschnittenes Haar mit Stirnfransen bis zu den Augenbrauen. Die Augen liegen eng beieinander. Seine Ohren sind von den Haaren bedeckt, die pechschwarz, fast violett sind. Seine Augen sind eisengrau. An seinem Körper ist kein Härchen zu entdecken, weder an der Brust noch an Armen oder Beinen. Seine kupferfarbenen Schenkel sind ebenso muskulös wie seine fein gerundeten Waden. Drei Meter vor ihm mache ich halt. Er kommt mir zwei Schritte entgegen und blickt mir pfeilgerade in die Augen, eine Prüfung, die zwei volle Minuten in Anspruch nimmt. Sein Gesicht, in dem sich nichts regt, wirkt wie das einer Kupferstatue. Nach Ablauf der zwei Minuten lächelt er plötzlich und greift mir an die Schulter. Jetzt kommen auch alle anderen, berühren meine Schulter, und eine junge Indianerin nimmt mich bei der Hand und zieht mich in den Schatten eines Hauses. Dort sieht sie sich mein Bein an. Alle sitzen im Kreis um mich herum.
    Ein Mann reicht mir eine brennende Zigarre, die ich nehme und rauche. Darüber beginnen alle zu lachen, denn sie alle, Männer

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