Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
misstrauisch.
„Hm, ich weiss nicht, rettet er nicht gerade mit dir zusammen den Planeten?“
Nuuk seufzte: „Er war glaub mal mein Held, aber so in der alltäglichen Zusammenarbeit werden Helden zu ganz normalen Menschen. Er ist wie alle Leute, weisst du.“
„Dein entthronter Held also?“ neckte er sie.
„Ich weiss wirklich nicht, was du meinst!“ rief Nuuk.
„Ich ehrlich gesagt auch nicht, aber ich folge nicht ganz, wenn du mir über diese Hefeviecher erzählst. Das ist mir zu hoch“, meinte Vincent versöhnlich.
„Aha…“
„Wahrscheinlich sind nicht alle Leute so schlau wie du, Nuuk.“
„Wenn ich so schlau wäre, wäre Anselm nicht mein entthronter Held und – ach ich weiss auch nicht. Wahrscheinlich hätte ich dann gar nicht angerufen“, erklärte sie eigensinnig.
„Wer ist denn nun Anselm?“ fragte Vincent harmlos.
„Das ist Siegmar. Anselm Siegmar“, erklärte Nuuk.
„Aha.“
„Ich muss langsam weiter“, sagte Nuuk unvermittelt und wünschte ihm einen schönen Abend. Vincent erwiderte den Gruss und verstand nicht, was ihr über die Leber gelaufen war. Aber sie erwartete wohl kaum, dass er sich tiefgehend mit diesen kuriosen Bierhefeviechern auseinandersetze, als wie er es bis anhin zu tun pflegte.
Im Wald des Ostens trafen die mächtigen Ströme aufeinander und stürzten ihren üppigen Lauf in die Tiefe des riesigen Beckens. In weisssprühenden Kaskaden senkte sich ihr unvergleichlicher Überfluss in das abgründige Grün des Waldes. Smaragden strahlte das Wasser dem Blick der Sonne entgegen, wenn das Laub aus den unsteten Wellen widerglänzte. Yguazú hatten die Guarani den heilvollen Ort genannt, wo sich üppig und frisch die Tropfenschleier in die freie Luft entsponnen und wuchernd das grüne Moos und die lieblich schlingenden Pflanzen das raue Gestein überkleideten.
Doch nicht nur der Flüsse segensvoller Lauf, des heiligen Wasser lebensspendender Hauch floss im grünen Herzen des Waldes zusammen – auch die Ströme aus aller Welt fanden sich hier. Unbeschadet von Zoll und Hoheitsrechten gelangten aus dem schneidigen fernen Asien, aus den Ländern Südamerikas, aus den tatenfrohen Nordamerika und dem übersättigten Europa Massen von Technikspielen, Waffen und Rauschsubstanzen zusammen und flossen über Cuidad del Este ins gleichsam rechtsfeie Paraguay. Die Riesen seiner Nachbarschaften konnten sich der marodierenden Schmuggler besser erwehren, doch kann niemand einem derart fruchtbaren Kleinstaat widerstehen, der so gelassen illegalen Handel hinnahm und als rechtsfreie Zone keine Expansionslimiten kannte. Als geschröpftes Lieblingskind ertrug das paradiesische Paraguay die Handelsströme, die passierten, ohne zu zahlen und die sagenhaften Gewinne flossen jenseits seiner Grenzen. Ebenso blickte es nur aus der Ferne auf das Mysterium von Yguazú. Was nach Paraguay floss und was es verliess kam namenlos durch Cuidad del Este. Aller Herrenländer Erzeugnisse waren zu Spottpreisen zu haben, während die niedlichen Sojabonen rieselnd den Weltmarkt belieferten.
Der ansässige Geschäftsführer von Transmar Import Export Ltd. traf hier mit seinem Vorgesetzten zusammen. Zur fortgeschrittenen Stunde des Nachmittags standen frische Getränke auf dem Tisch, an dem der Herr im weissen Anzug sass und Bericht erstatten sollte. Waren die vergangenen Wochen gut gegangen, so hatten unvermittelt Schwierigkeiten eingesetzt, als eine konkurrierende Firma aus Brasilien die Handelsbeziehungen von Transmar an sich reissen wollte. Es war keine gute Nachricht zu überbringen, denn alle wussten, mit welchen Mitteln hier gearbeitet wurde. Die Erschliessung neuer Märkte setzte meistens die Liquidierung der vorhergehenden Händler voraus. Der Herr im weissen Anzug seufzte lautlos und trank sein Glas aus, den braunen Rum wie eine Kröte von den Eiswürfeln schlürfend.
Als sein Vorgesetzter endlich eintrat, hatte er sein Glas geleert und schenkte dezent nach, um wieder zwei gefüllte Gläser zu haben. Er hätte es sich sparen können. Der Chef trank nicht. Er lebte davon, dass anderer Köpfe vernebelt waren, während er den seinen klar hielt.
Der Herr im weissen Anzug hielt den Blick gesenkt und der Schweiss auf seiner Haut schien sich als dicker Fettfilm in die Strähnen über seiner kahlen Stirn zu schieben. Er geriet immer in Hitze, wenn er dem Chef Bericht erstatten musste, aber heute hatte er einen bösen Misserfolg zu verbuchen und er wusste nicht, was der Abend ihm bringen
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