Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
so überzeugt, dass Frau Lopez ihn erstaunt ansah, den Kopf schüttelte, eine Lesebrille aufsetzte und die Anträge zu überfliegen begann.
„Sehen Sie, Frau Lopez, es liegt doch darin die Chance, die steuerliche Situation in diesem Land zu verbessern. Wenn sich diese Leute versorgen können, werden sie es tun. Sie werden darauf ihren Einsatz und ihren Stolz verwenden. Sie werden ihren Kindern Möglichkeiten anbieten können, die derzeit vielleicht aus materiellen Gründen nicht gegeben sind. Ist das nicht das Ziel einer Regierung? Den kleinen Leuten zu Wohlstand zu verhelfen, damit das gesamte Land gewinnt?“ fügte er an.
Aber sie blickte ihn nur an, als habe er über die Wetterlage referiert und vertiefte sich in die Anträge.
Nachdem so schweigend mehrere Minuten ins Land gegangen waren, während derer Vincent hoffte, eine Stellungnahme der Dame zu erlangen, schüttelte sie den Kopf. Im Stillen seufzte er. War es denn unmöglich, dieser Matrone den Sinn seiner Arbeit geläufig zu machen? War sie auf keiner Ebene ansprechbar, so dass sie mit dem Internationalen Roten Ring zusammen arbeitete, nicht gegen denselben? Vincent sah sich gemahnt an vergangene Jahrhunderte seines eigenen Herkunftskontinents. Wie viele Bestrebungen für Gewerbe, individuelle Entwicklung und Fortschritt waren daran erstickt, dass Zunftwesen und Traditionalismus aller Neuerung im Weg standen? War es denn wirklich nötig, hier dieselben Idiotien durchzustehen?
Schliesslich legte Frau Lopez seine Anträge vor sich auf den Tisch und sagte mit einem versöhnlichen, doch strengen Lächeln: „Also, junger Mann, Sie können die Anträge da lassen, wir prüfen sie nochmals. Aber wir sehen es nicht gerne, wenn Sie sich in dieser Weise in die Angelegenheiten dieses Landes einmischen. Sie mögen andere Ansichten haben. Aber es ist nicht gut, diesen Leuten zu viel Freiheit zu geben. Sie rutschen sonst ab und werden zu Delinquenten und müssen bestraft werden.“
Sie stand auf und er erhob sich ebenfalls.
„Gut, vielen Dank“, sagte er notgedrungen und reichte ihr die Hand.
Sie drückte sie fest zwischen ihren fleischigen breiten Händen und gemahnte: „Erinnern Sie sich bitte gut daran, was ich Ihnen gesagt habe. Mischen Sie sich besser nicht in Angelegenheiten ein, die Sie nichts angehen. Hilfswerke wie das Ihre kommen und haben Ideen, aber Sie verstehen nicht, wie hier die Dinge sind. Bauen Sie Kindergärten und Spielplätze, versorgen Sie meinetwegen die Babies mit Folgemilch und Babyshampoo, aber Sie sollten auch wissen, wo die Grenzen sind, ja?“
Mit diesen Worten schob sie ihn aus ihrem verstaubten überladenen Büro und schloss die Tür hinter ihm, so dass Vincent staunend im Gang stand und sich einmal mehr der Macht der Zweifel an seinem Tun gegenübersah. Folgemilch und Babyshampoo? War das der Sinn des Internationalen Roten Rings?
Frau Lopez betrachtete die Anträge des Internationalen Roten Rings. Es war ärgerlich. Derartige Behinderungen schätzte sie überhaupt nicht. Sie zog eine rasche Abwicklung der Angelegenheiten vor. Saubere Lösungen gewissermassen. So regelte sie die Angelegenheiten und so sorgte sie für ihre Einkünfte.
Sie hob den Hörer ab und wählte eine Mobilnummer.
„Hola“, meldete sich eine männliche Stimme am anderen Ende.
„Herr Cevas?“ fragte Senora Lopez.
„Ja“, bestätige derselbe.
„Hören Sie, Sie wollen Ihrer Regierung doch keine Schwierigkeiten bereiten?“ fragte sie streng.
„Nein, beim besten Willen nicht“, bekräftigte Herr Cevas.
„ Da bin ich sehr beruhigt“, erwiderte Frau Lopez verbindlich. Dann ging sie zum Angriff über: „Sehen Sie, Herr Cevas. Was Sie da treiben, das geht einfach nicht. Anstatt, dass Sie sich an Ihre Obrigkeit halten, laufen Sie zu den Fremden und wollen sich von denen helfen lassen. Aber das wird nichts, die interessieren sich nicht für Sie, wenn sie unser Land wieder verlassen. Das ist keine Hilfe, die Sie da bekommen, das erzählt man Ihnen nur, damit Sie aufmüpfig werden. Verstehen Sie? Volksverhetzer sind das, an die Sie da geraten sind!“
„Wirklich?“ fragte Cevas beklommen.
„Wirklich“, bekräftigte Frau Lopez.
Er hatte längst verstanden. Wenn er seine Haut retten wollte, musste er jetzt kooperieren.
„ Es war sicher nie meine Absicht, meiner Obrigkeit unangenehm aufzufallen“, sagte Cevas inständig, „glauben Sie mir, niemals!“
„Das verstehe ich doch“, erwiderte Frau Lopez grossmütig. „Sie sind diesem
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