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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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würde. Er wusste es nicht.
    Während er in sorgfältig gewählten Worten den anderen informierte, dass zwei Waffenlieferungen verschwunden waren und nur zwei der für den Transport verantwortlichen Männer tot aufgefunden worden waren, sah er seinen Stern merklich sinken. Als er den Bericht anschloss, dass ebenso mehrere Tonnen des edlen Pulvers der Kokapflanze scheinbar in den Staub der Landstrasse diffundiert waren, erreichte ihn die gedämpfte, jedoch vernichtende Stimme des Chefs. Was er ihn schalt und was er ihm für neuerliche Aufträge gab, liess der Herr im weissen Anzug an sich vorbeistreichen und merkte sich nur die wichtigsten Daten. Er klammerte sich an die irrwitzige Hoffnung, sein Leben doch behalten zu können. Er beteuerte, alles zu unternehmen, um die weiteren Lieferungen besser zu bewachen.
    Er sah sich gerettet.
    Als sein Chef einige Tage später in das kaum erhellte Büro zu den gekühlten Getränken trat, wurde der Herr im weissen Anzug eines besseren belehrt, hatte er auch wenig Gelegenheit, seine Erkenntnisse auszukosten. Sein Gehirn lag auf den mit Kunstfournier verkleideten Tisch gebreitet und rote Flüssigkeit hatte die weisse Viskose seiner Kleidung kontaminiert. Sein Chef übernahm diese Aufgaben am liebsten selbst.
    Herr Marcial legte die Waffe neben die Resten im weissen Anzug und zog beim Verlassen des Raums die Handschuhe aus. Tiefe Verachtung zeichnete sein Gesicht, während er überlegte, dass er einen neuen Geschäftsführer zu suchen haben würde.
     
     

XII
    Nichts ist so leer als ein Herz, dem keine Liebe schlägt.
     
    Regelmässig besuchte Vincent Consuelo an ihrem neuen Wohnort. Sie war fraglos nicht glücklich mit ihrer Situation und versuchte, ihm klar zu machen, dass sie nicht eingesperrt zu werden brauchte. Sein Einwand, sie werde nicht eingesperrt, sondern befinde sich in Sicherheit vor der Sekte der Flammenden Herzen, liess sie kalt.
    „Meinst du nicht, sie suchen nach dir?“ fragte Vincent.
    Als Consuelo achselzuckend die Möglichkeit einräumte, fragte er vorsichtig weiter, ob ihre Mutter sie denn nicht vermissen würde. Das aber liess sie ebenso an sich vorbeigehen. „Du willst nur, dass ich Angst habe und brav hier bleibe“, sagte sie herausfordernd.
    „Nein, bist du verrückt? Ich will nicht, dass du Angst hast, ich tue was ich kann, dass das nicht der Fall ist! Aber wir müssen doch realistisch sein. Wie gefährlich sind diese Sektenleute? Ich meine, sind sie gewalttätig? Es gibt immerhin religiöse Sekten, die ihre Mitglieder mit Gewalt bei sich halten und sie unter keinen Umständen gehen lassen wollen. Gehören die zu der Sorte?“
    Consuelo sah ihn lange an und sagte dann: „Sie gehören wohl zu den gefährlichen.“
    „Dann solltest du doch damit einverstanden sein, wenn du fürs erste hier ein wenig untertauchst, nicht?“ fragte er weiter.
    „Ich wäre einfach gerne einmal nicht eingesperrt. Verstehst du nicht, ich bin nicht wie andere in meinem Alter! Ich habe wirklich mehr gesehen und erlebt. Du brauchst mich nicht zu behandeln wie ein Baby!“ rief sie aus.
    Vincent wiegte den Kopf und stützte die Stirn in die Hände. Sie sassen in der Gartenlaube des Hofes im Schatten. Bouganvilien blühten zwischen den Palmen und Schmetterlinge zogen gaukelnd an ihnen vorbei. Das goldene Licht fiel durch das vielfältige Blattwerk gedämpft zu ihnen hernieder und die staubige Hitze des Nachmittags erfrischte sich durch das irisierende Grün des Gartens.
    „Glaub mir, das weiss ich, soweit du mir erzählt hast, was du erlebt hast. Allzu viel hast du mir nicht erzählt, muss ich allerdings sagen“, erwiderte er. „Eigentlich müssten wir rechtlich gegen diese Vereinigung vorgehen. Missbrauch von Minderjährigen und gewaltsames Einsperren in einem vergitterten Raum sind wirklich gravierende Vergehen“, erklärte er.
    „Was hast du denn vor?“ fragte Consuelo misstrauisch.
    „Ich habe im Augenblick überhaupt nichts vor, ich sage nur, dass ich eigentlich meine Pflicht als humanitärer – hm – Angestellter vernachlässige, wenn ich keine rechtlichen Schritte gegen die Sekte einleite. Das wäre meine Pflicht. Ich kann nicht einfach Kinder entführen und ihnen Schwangerschaftsabbrüche verschaffen, eigentlich müsste ich mit den Behörden und den Familien zusammenarbeiten, verstehst du?“ Während er sprach musste er fast lachen ob der Ironie seiner Handlungen. Er hatte sich so weit vom gegebenen Codex entfernt, dass er in seinem selbstgeschaffenen

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