Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Mienenfeld von grenzwertigen bis illegalen Handlungen kaum mehr einen Schritt tun konnte. Jede Einzelheit, die er für Consuelo getan hatte, reichte allein schon aus, um ihn beruflich niederzustrecken. Dazu kam, dass er sich eingestehen musste, von dem kleinen Mädchen gesteuert zu werden. Er handelte nach ihren Wünschen und akzeptierte, dass sie auch hinsichtlich der Situationen, in denen sie seine Hilfe benötigte, nur ein Minimum an Informationen gab. Sie verfügte über eine Kraft, die ihre Zartheit Lügen strafte und er verwunderte sich darüber, wie diese Eigenschaft zu den Schrecklichkeiten stand, denen sie zum Opfer gefallen war.
„Bitte geh nicht zur Polizei, Vincent“, sagte sie inständig.
„Kannst du mir vielleicht verraten warum?“ fragte er.
„Das kann ich, ja: Wenn du zur Polizei gehst und wir nehmen an sie glauben mir und sie gehen wirklich nach dem Haus der Gemeinde der Flammenden Herzen und fragen die Leute und die Gemeinde nach meiner Geschichte, dann werden die alle gar nichts sagen. Verstehst du, niemand von denen sagt etwas gegen Herrn Marcial, die halten dicht. Dann habe ich mich bei der Polizei mit der Geschichte umsonst erniedrigt und ich will das nicht. Wenn du zur Polizei gehst, werde ich sagen, dass ich nicht weiss, wovon du redest. Wirklich, ich halte das nicht aus, ich werde da nicht mitmachen!“
„Glaubst du nicht, dass andere vor einer solchen Gemeinde geschützt werden sollten, Consuelo?“ insistierte er.
„Ich kann das nicht, es geht nicht!“ rief sie. „Ausserdem weiss ich gar nicht, ob sie mich dann umbringen, dann hast du auch nicht mehr davon.“
Vincent legte die Stirn in Falten: „Du traust ihnen zu, dass sie dich umbringen? Meinst du das ernst?“
„Ja“, sagte Consuelo leichthin.
Er seufzte. Er musste zugeben, dass er der Polizei nicht allzu viel zutraute, besonders keine schnellen Reaktionszeiten, ganz abgesehen von einer archaischen Art des Vorgehens. Ein weiteres Mal gab er sich Consuelo geschlagen. Wenn sie um ihr Leben fürchtete, wollte er sie nicht in Gefahr bringen.
„Herr Marcial heisst der Guru?“ fragte er schliesslich und Consuelo nickte mit gesenktem Blick.
Schliesslich nach weiteren ergebnislosen Fragen verabschiedete sich Vincent und liess Consuelo zurück. Daheim durchforstete er das Netz nach Einträgen zu einem Herrn Marcial und der Gemeinde der Flammenden Herzen. Vincent staunte, denn er fand so gut wie nichts. Die Gemeinde fand eine Erwähnung unter eingetragenen religiösen Vereinigungen in Paraguay, aber Namen waren keine zu finden, nur eine offensichtlich unvollständige Telefonnummer war erwähnt. Sonst gab es nichts, was auf Concepcion oder eine genaue Adresse im Einzelnen hinwies. Die Gemeinde war ausserhalb des Netzes und bewahrte sich so offensichtlich einen besonderen Status der Anonymität.
Dagegen gab es einige Einträge zu Herrn Marcial, jedoch handelte es sich einmal um einen Landwirt aus Chile, im anderen Fall um einen unbedeutenden Politiker und dann wurden die Ergebnisse dünner. In Vincent regte sich immer mehr Misstrauen gegen die Geschichte von Consuelo und allmählich machte ihn die Ergebnislosigkeit ihrer Erzählung ärgerlich. Er beschloss, sie nächstes Mal so lange zur Rede zu stellen, bis der die Antworten von ihr erlangte, die er wollte.
Frau Lopez hatte den Beamten, dem die Ungereimtheiten in Vincents Anträgen zuerst aufgefallen waren, mit der Aufgabe betraut, Vincent Thal einer Untersuchung zu unterziehen. Ein kurzer Streifblick durch ein paar Unterlagen ergab, dass Vincent unter dem Schirm des Hilfswerks das Kleingewerbe unterstützte, was in keiner Weise neu war und durchaus kein Problem darstellte. Deshalb liess sich Frau Lopez die Sache genauer durch den Kopf gehen und leitete ein, dass Vincent vorgeladen und sein Vorgesetzter informiert wurden. Als die Schreiben in der Niederlassung des Internationalen Roten Rings eingingen, staunte Vincent erheblich und Curdin bebte vor Entsetzen.
Vincent war regelmässig bei Ignacio in der Taverne gewesen und sie hatten beschlossen, für dessen Taverne eine staatliche Bewilligung einzuholen. Diese sollte den Wirt vor den Schutzgeldzahlungen der privaten Wachmannschaften in La Chacarita bewahren. Obzwar das keine Garantie für die Taverne war, schien es doch der sicherste Weg zu sein. Vincent hatte mit der Sicherheit des Hilfswerks im Rücken stets auf eine baldige und unkomplizierte Lösung verwiesen.
Als aber die Vorladung von Frau Lopez einging,
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