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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Nacht fiel ins Schweigen zurück, der Teddybär schwieg mit uns, der Mond rückte weiter, und die Schatten der seltsamen Gegenstände auf Davids Regalen wanderten.
    Irgendwann sank ich zurück aufs Bett, weil mein Körper sich weigerte, weiter aufrecht zu sitzen.
    Ich war beinahe eingeschlafen, als ich Claas’ Hand spürte, die mir das Haar aus dem Gesicht strich, wie ich es so oft bei David getan hatte. Ich drehte den Kopf, und sein Gesicht war dem meinen ganz nah, er hatte sich neben mich auf das viel zu kleine Kinderbett gelegt.
    »Lovis?«, flüsterte Claas. »Rosekast … oder eigentlich David … hat gesagt, man muss nur die richtigen Fragen stellen. Ich habe dich nie gefragt … Warum malst du graue Kästchen?«
    »Weißt du das nicht?«, murmelte ich schläfrig, verblüfft über die Einfachheit der Frage. »Na, weil ich graue Kästchen begreifen kann. Sie haben … eine definierbare Helligkeit oder Dunkelheit … einen errechenbaren Inhalt und eine ausmessbare Höhe … die Menschen … die Menschen kann ich nicht verstehen. Die Gründe … die sie haben, etwas zu tun. Ich kann versuchen, dahinterzukommen … aber ich kann sie nie ganz verstehen.«
    »Oh«, sagte Claas. »Wenn ich … wenn ich also ein graues Kästchen wäre, wäre alles einfacher.«
    »Ja«, antwortete ich. »Wenn ich ein graues Kästchen wäre, auch.«
    Und dann lachten wir beide, ganz leise, zusammen in der Nacht.
    Und dann schlief ich ein, Davids alten Teddybären im Arm.

    Als ich aufwachte, lag ich alleine in Davids Bett. Die Decke war zu kurz, ich fror, und mein Arm war eingeschlafen, weil ich darauf gelegen hatte. Ich setzte mich auf und schüttelte den Kopf. Ich fühlte mich völlig zerschlagen. Neben mir auf Davids Kissen lag ein Zettel.
    Jemand hatte etwas daraufgemalt, mit ungelenken Strichen – etwas, das ich zunächst nicht erkannte, es war ein Viereck, oben abgerundet, ein Viereck mit Strichen darin; Streifen.
    »Lovis«, stand darunter, in Claas’ schwer leserlicher Arztschrift. »Ich kann nicht malen, tut mir leid. Aber vielleicht erkennst du es trotzdem. Ich schenke es dir. Für die Mauer, wenn man sie nicht einreißen kann.«
    Ich schüttelte den Kopf, nahm den Zettel und ging barfuß die Treppe hinunter.
    In der Küche roch es nach Kaffee und Brötchen. Claas stand am Fenster und sah hinaus. Er trug ein altes Hemd und keine Schuhe. Ich sah nirgendwo eine gepackte Tasche für die Klinik, obwohl es schon neun durch war.
    »Claas?«, fragte ich leise und hielt den Zettel hoch. »Was … was ist das?«
    Er drehte sich um. Er sah fürchterlich aus. Genauso fürchterlich, wie ich mich fühlte, zerschlagen, erschöpft und zerknittert.
    »Das?«, fragte er müde. »Das ist das, wodurch man geht, wenn man eine Mauer nicht einreißen kann. Ein Gartentor.«

    Ich sagte es Lotta am nächsten Tag.
    Ich sagte Lotta, dass das Koma nicht gespielt war.
    Lotta sah mich stumm an, und ich dachte, dass ihre Augen wieder Spiegel waren, glatt und leer, wie damals in Rosekasts Garten. Als ich dachte, sie würde nichts mehr sagen, sagte sie etwas.
    »Ich weiß«, sagte sie.
    »Du weißt?«
    »Das mit dem Koma. Ich weiß das«, sagte Lotta. »Seit wir da waren. Im Krankenhaus. Ich bin nicht blöd.« Dann drehte sie sich um und ging.

    David starb an einem Dienstag zwei Wochen später. Einem der wenigen Tage, an denen Lotta nicht beim Auto gestanden hatte und wortlos eingestiegen war, um wortlos mit uns an Davids Bett zu sitzen.
    Claas und ich waren alleine bei ihm, als er starb.
    Wir saßen an seinem Bett, und wir rechneten nicht damit, nicht mehr als an jedem Tag, an dem wir bei ihm saßen. Er war bis zuletzt intubiert, er lernte das selbständige Atmen nicht mehr. An jenem Tag zuckte er auf einmal mit der rechten Hand, und ich sprang auf und packte Claas am Arm, und dann zuckte Davids gesamte rechte Körperhälfte, und Claas schlug Alarm, die junge Ärztin hatte an diesem Tag Dienst, sie stand einen Moment genauso hilflos da wie wir, und Claas sagte: »Er krampft«, und sie sagte: »das ist eine Nachblutung im Hirn«, und Ralinger, den sie rief, sagte, man müsste operieren, um die Blutung zu stillen. Wenn, dann sofort.
    Wir sahen uns an, Claas und ich, und schüttelten gleichzeitig die Köpfe.
    Der Krampf war bereits vorbei, David lag wieder still. Zwei Stunden später zeigte das EKG eine grüne Nulllinie.
    Thorsten Samstag war die gesamten zwei Wochen nicht auf der Station gewesen. Ralinger sagte, sie hätten ihm Urlaub

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