Paradies in Gefahr: Mittsommergeheimnis (German Edition)
das erklärte, warum Klemens Westerberg so erpicht darauf war, das Wellnesshotel trotz aller Widrigkeiten durchzusetzen. Es sollte so etwas wie Bengts Vermächtnis an die Nachwelt werden. Etwas, das Klemens auch nach dem Tod seines geliebten ältesten Sohnes blieb und das ihn ewig an ihn erinnern würde.
Wie von selbst hatten sich Mikaels Hände zu Fäusten geballt. Jetzt atmete er tief durch und zwang sich, die Finger wieder zu entspannen. Vaters Gründe waren nicht wichtig. Alles, was zählte, war, dass der alte Mann endlich begriff, dass er sich auf seinen jüngeren Sohn ebenso verlassen konnte wie zuvor auf Bengt. Dass er ebenso in der Lage war, das Unternehmen weiter zu führen, wie es sein älterer Bruder gewesen war.
Vielleicht sogar noch besser.
Mikael atmete tief durch und ließ noch einen letzten Blick über das Tal schweifen, ehe er zu seinem Wagen zurückging. Er würde die Aufgabe, die sein Vater ihm gestellt hatte, erfüllen – koste es, was es wolle. Und wenn er danach triumphierend nach Stockholm zurückkehrte, blieb Klemens Westerberg gar nichts anderes übrig, als seine Leistung anzuerkennen.
Der Jeep, den er am Flughafen von Dalarna angemietet hatte, stand ein Stückchen unterhalb des Felsens am Wegesrand. Die Straße, die bisher vom Ort her hier hinaufführte, war nicht viel mehr als ein besserer Trampelpfad. Ehe das Hotel in nicht allzu ferner Zukunft seine Pforten eröffnete, musste also noch einiges getan werden. Asphaltierte Straßen, breit genug auch für Busse, und ausreichend Parkplätze waren nur einige der Dinge, über die er mit dem Bürgermeister von Dvägersdal in den nächsten Tagen sprechen musste. Man konnte ein Luxushotel nicht einfach irgendwo in die Wildnis setzen und erwarten, dass es Gewinn einfuhr. Eine gewisse Infrastruktur musste schon vorhanden sein.
Doch darum konnte er sich später kümmern. Jetzt wollte er zunächst einmal zusehen, dass er in seine Pension kam – alles andere konnte auch bis morgen warten.
Er setzte sich hinter das Steuer des Jeeps und ließ den Motor an – jedenfalls versuchte er es. Doch als er den Zündschlüssel umdrehte, geschah überhaupt nichts.
Der Motor gab nicht den kleinsten Laut von sich.
Stirnrunzelnd klopfte Mikael gegen die Plexiglasabdeckung der Armaturen – der kleine Zeiger der Benzinanzeige fiel von “voll” auf das unterste Ende von “Reserve”, und ein Warnlicht begann zu blinken. Anscheinend gab es eine Fehlfunktion in der Anzeige, und nun stand er ohne Sprit mitten in der Pampa da. Ehe ein Servicewagen der Autovermietung hier draußen war, würden sicher Stunden vergehen. Und auf der Baustelle arbeitete heute, an einem Sonntag, niemand.
“Darn!”
, fluchte Mikael wütend und schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad.
Sein Aufenthalt in Dvägersdal stand offenbar unter keinem guten Stern.
2. KAPITEL
N ach der Bürgerversammlung war Hanna gleich heimgefahren, um sich umzuziehen. Jetzt trat sie in Laufsachen aus dem Haus und wärmte sich mit leichten Dehnübungen auf. Sie hoffte sehr, dass ein bisschen Sport ihr dabei helfen würde, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Denn das hatte sie nach der Unterhaltung mit Finja und Linnea dringend nötig. Es war ihr unverständlich, wie die beiden einfach so über Audreys Schicksal hinweggehen konnten.
Sie selbst sah sich dazu jedenfalls nicht imstande.
Tief atmete Hanna ein. Trotz all der Zeit, die inzwischen vergangen war, hatte sie die Ereignisse jener schicksalhaften Mittsommernacht doch nie vergessen können. Audreys Verschwinden ließ sie einfach nicht los – weder während ihres Studiums in Stockholm noch in den Jahren danach. Sie hatte das Gefühl, es Audrey schuldig zu sein, dass sie alles unternahm, um herauszufinden, was sich damals wirklich zugetragen hatte. Erst wenn sie die Wahrheit kannte, das spürte sie, würde sie endgültig mit diesem Kapitel ihres Lebens abschließen können. Aber wie sollte das funktionieren? Nicht einmal der Polizei war es gelungen, das Rätsel um Audrey zu lösen. Nach Malins wirren Schilderungen ging man davon aus, dass Audrey einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Doch sämtliche Spuren, die es einmal gegeben haben mochte, waren inzwischen sicher längst verschwunden.
Im Grunde hatte Hanna die Hoffnung, eines Tages zu erfahren, was mit dem englischen Au-pair geschehen war, bereits aufgegeben. Doch dann hatte sie ein Kriminalfall, der während ihres Austauschjahres ganz Spanien in Aufregung versetzt hatte, hellhörig werden
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