Paradies
und Bild bringen«, meinte Sjölander. »Sie soll spüren, wie es ist, wenn man in der Scheiße sitzt.«
Schyman warf dem Leiter der Kriminalredaktion einen unbewegten Blick zu.
»Seit wann ist diese Zeitung ein Organ des Strafvollzugs?«, fragte er. »Rebecka Björkstig ist keine Person des öffentlichen Lebens.
Wir werden natürlich ihre Stiftung beschreiben und wie sie andauernd die Identität gewechselt hat, ihre zwielichtigen Geschäfte und seltsamen Drohungen öffentlich machen. Aber die Geschichte wird nicht besser dadurch, dass wir genau wissen, wie sie im Moment gerade heißt.«
»Es ist feige«, wandte Sjölander ein, »nicht alles zu bringen, was man in der Hand hat. Warum sollen wir auf diese verdammte Sau Rücksicht nehmen?«
Anders Schyman lehnte sich über den Tisch.
»Weil wir für die Wahrheit sind«, antwortete er, »und nicht gegen den Verbrecher. Weil wir eine ethische und publizistische Verantwortung tragen, weil wir die Macht haben und das Vertrauen genießen, die Wirklichkeit für die Menschen in unserer Gesellschaft zu definieren. Wir werden unsere Macht nicht dazu benutzen, einzelne Personen zu vernichten, egal, ob es sich um Politiker oder Kriminelle oder Prominente handelt. In die Zeitung zu kommen ist nicht das Gleiche, wie in der Scheiße zu landen.«
Sjölander war ein wenig rot geworden, aber Anders Schyman sah, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gab. Sjölander konnte einiges schlucken, das hier hatte er schon verdaut.
»Okay«, sagte er. »Sie sind der Boss.«
Der Redaktionsleiter lehnte sich wieder zurück.
»Nein«, erwiderte er, »das bin ich nicht. Das ist Torstensson.«
Sie sahen sich alle drei einen Moment lang an und brachen dann in einhelliges Gelächter aus, Torstensson, ein guter Witz.
»Was gibt’s sonst noch?«, fragte Schyman.
»Ja, also«, sagte Sjölander und seufzte, »es ist ein bisschen zu ruhig für meinen Geschmack. Es ist schon länger nichts mehr passiert.
Wir überlegen, ob wir den Mord an Olof Palme mal wieder auffrischen, Nils Langeby hat einen neuen Tipp bekommen.«
Der Redaktionsleiter bekam eine Falte zwischen den Augenbrauen.
»Passt bloß auf mit Langebys Tipps, ich traue ihnen nicht. Was ist denn eigentlich aus der Jugoslawengeschichte im Freihafen geworden?«
Sjölander seufzte.
»Sie ist im Sand verlaufen. Ratko, der Typ, den sie im Verdacht hatten, hat vermutlich das Land verlassen.«
»War er der Täter?«
Sjölander wand sich ein wenig auf seinem Stuhl, zögerte, erinnerte sich an seine früheren Behauptungen.
»Das ist nicht gesagt«, antwortete er schließlich. »Ratko ist noch nie wegen Mordes verurteilt worden, aber er ist ein verdammt widerlicher Kerl. Bankraub, Drohungen, Körperverletzung, vor allem soll er als Schläger eingesetzt worden sein. Seine Spezialität ist es, den Leuten eine Scheißangst einzujagen, sie zum Reden zu bringen. Er stopft ihnen eine Maschinenpistole ins Maul, und anschließend haben die meisten dann ausgepackt.«
»Dann wären da noch seine Kriegsverbrechen«, erinnerte Berit.
»Es dürfte schwer für ihn geworden sein, sich über Landesgrenzen zu bewegen«, meinte Anders Schyman.
Der Mann stand seit dem Mittag des 6. November offiziell auf der Fahndungsliste des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag.
Ihm wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der ersten Phase der Kampfhandlungen in Bosnien vorgeworfen.
»Er wird sich vermutlich in irgendeiner Vorstadt von Belgrad totsaufen«, sagte Sjölander.
Schyman seufzte.
»Die Frau auf dem Platz, was ist mit ihr? Ist man dem Mörder auf der Spur?«
Berit und Sjölander schüttelten die Köpfe.
»Sie wird morgen begraben«, sagte Berit. »Eine tragische Geschichte.«
»Okay«, meinte Schyman abschließend. »Ich sehe die Artikel durch, und wenn ihr nichts von mir hört, habt ihr für alles grünes Licht.«
Die Kriminalreporter standen auf und verließen den Raum.
Annika blätterte in einer zwei Jahre alten Ausgabe von
Eltern.
Sie hatte bereits drei Frauenzeitschriften, zwei Broschüren über Aids und eine Tageszeitung vom Vortag gelesen. Sie wollte nicht nach Hause gehen, konnte jetzt einfach nicht allein sein und hatte deshalb gesagt, sie wolle im Wartezimmer bleiben, bis das Ergebnis vorliege. Die Hebammen hatten sie zwar komisch angesehen, aber nicht protestiert.
Zeit war zu etwas geworden, das es zu überbrücken galt und das sie betrachtete, während es entglitt. Sie hatte keine Ahnung, wie sie auf das Testergebnis reagieren
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