Paradies
würde.
Einmal hatte sie geglaubt, von Sven schwanger zu sein. Das war gegen Ende ihrer Beziehung gewesen, als sie bereits nach Auswegen suchte, um das Verhältnis zu beenden. Sie hatte sich wahnsinnige Sorgen gemacht, denn ein Kind wäre einer Katastrophe gleichgekommen. Damals war der Test negativ gewesen, aber die Erleichterung war dennoch ausgeblieben. Noch heute konnte sie ihre eigene Enttäuschung, das Gefühl der Leere nicht verstehen.
»Annika Bengtzon?«
Ihr Puls raste. Sie stand auf und folgte dem weißen Kittel bis zu der Empfangstheke auf der gynäkologischen Station.
»Der Test ist positiv«, sagte die Frau leise und langsam. »Das bedeutet, dass Sie schwanger sind. Wann war die letzte Periode?«
In ihrem Kopf drehte sich alles, sie war schwanger, sie würde ein Kind bekommen, großer Gott, ein Kind…
»Ich erinnere mich nicht genau, um den 20. Oktober herum, glaube ich.«
Ihr Mund war völlig ausgedörrt.
Die Hebamme drehte an einer runden Scheibe.
»Dann sind Sie in der siebten Woche schwanger. Man rechnet vom ersten Tag der letzten Menstruation an. Sie sind also noch in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft. Möchten Sie das Kind austragen?«
Der Fußboden schwankte unter ihr, sie hielt sich an der Theke fest.
»Ich… weiß nicht.«
»Falls Sie sich entschließen sollten, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, ist es das Beste, den Eingriff so schnell wie möglich vorzunehmen. Wenn Sie das Kind behalten wollen, werden wir Ihnen einen Termin für Ihre erste Untersuchung bei einer Hebamme hier in der Mütterfürsorge geben. Die Untersuchung dauert eine gute Stunde. Die Hebamme wird Sie dann während Ihrer Schwangerschaft betreuen. Sie wohnen auf Kungsholmen?«
»Sind Sie auch sicher?«, fragte Annika. »Bekomme ich wirklich ein Kind? Es kann kein Irrtum vorliegen?«
Die Frau lächelte.
»Sie sind schwanger«, sagte sie. »Garantiert.«
Sie wandte sich ab, ging zur Tür, sie hatte Schmerzen und ein Ziehen im Rücken, was war mit einer Fehlgeburt?
»Eine Fehlgeburt«, sagte sie und drehte sich noch einmal um.
»Wie häufig kommt so etwas vor?«
»Ziemlich häufig«, antwortete die Hebamme. »Das Risiko einer Fehlgeburt ist bis einschließlich zur zwölften Woche am größten.
Aber über all diese Dinge werden wir bei der ersten Untersuchung sprechen, falls Sie sich entschließen sollten, das Kind zu behalten.
Rufen Sie an und teilen Sie uns mit, wofür Sie sich entschieden haben.«
Sie trat in das Treppenhaus hinaus, stieg die schönen, breiten Treppen in dem alten Serafinenlazarett hinab, in dem heute die Poliklinik mit ihrer Hausärztin und die Mütterfürsorge beherbergt waren.
Ihr Kind.
Es zerrte und zog im Bauch, wenn die Füße auf die Treppenstufen traten.
Hauptsache, ich habe keine Fehlgeburt. Hauptsache, dem Kind passiert nichts.
Sie schluchzte auf, mein Gott, sie würde ein Kind bekommen, sie und Thomas, das Glück überwältigte sie, ein Kind! Ein kleines Kind, ein Grund zu leben!
Sie trat an die Wand, lehnte sich an und weinte. Es waren erleichterte, heitere und sanfte Tränen.
Ein Kind, ihr kleines Kind.
Sie trat in die Abenddämmerung hinaus, es war an diesem Tag niemals richtig hell geworden. Die Wolken zogen wie dunkelgraue Tonnen über den Himmel, bald würde es wieder anfangen zu schneien. Vorsichtig ging sie nach Hause, wollte nicht stolpern, das Kind nicht gefährden.
In ihrer Wohnung war es ziemlich kalt, die Heizkörper knackten.
Sie machte alle Lampen an und setzte sich mit dem Telefon auf dem Schoß auf die Couch.
Sie sollte auf der Stelle anrufen, bevor er vom Büro nach Hause ging. Sie wollte nicht wieder Eleonor am Apparat haben. Ihr Herz klopfte, was sollte sie nur sagen?
Ich bin schwanger.
Wir werden ein Kind bekommen.
Du wirst Vater.
Sie schloss die Augen, atmete drei Mal tief durch, versuchte ihr Herz zu beruhigen und wählte die Nummer.
Ihre Stimme war belegt, als sie in der Telefonzentrale nach ihm fragte. Das Rauschen in ihrem Kopf wurde stärker, ihre Hände zitterten. Sie konnte nicht atmen, nicht sprechen.
»Hallo?«, fragte er gereizt.
Sie schluckte.
»Hallo«, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme. »Ich bin es.«
Ihr Herz geriet außer Kontrolle, und sie atmete stoßweise, er antwortete nicht.
»Annika Bengtzon«, sagte sie, »ich bin es, Annika.«
»Ruf mich hier nicht an«, erwiderte er kurz angebunden mit erstickter Stimme.
Sie schnappte nach Luft.
»Was meinst du damit?«
»Bitte«, sagte er,
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