Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
Vom Netzwerk:
ihre Benommenheit nahmen zu.
    Wie leicht, wie schön das war, so davonzugleiten.
    Sie strampelte ihre Beine von dem Holzstumpf los, das Seil saß nicht besonders fest, und legte sich auf den bloßen Erdboden. Es war unbequem. Regungslos lag sie mit der Wange auf der Erde und spürte, wie ihre Hände kalt und abgestorben waren. Der Einsamkeitston begann zu pfeifen und wurde in ihrem linken Ohr lauter und wieder leiser.
    Bald, dachte sie. Bald ist es vorbei. Bald wird es still sein.
    Dieser Gedanke ließ den Ton verstummen.
    Es würde vorbei sein.
    Die Erkenntnis ließ sie wieder wach werden. Die Erde unter ihrem Gesicht war gefroren, körnig und roch schlecht. Sie lag auf einem Arm, der vom Ellenbogen abwärts eingeschlafen war.
    Sie stöhnte auf.
    Wenn sie in dieser Kälte liegen blieb, würde es bald ungeheuer still werden.
    Sie richtete sich mühsam auf und lehnte sich an den Holzklotz.
    Die Kälte drang mühelos durch ihre Jeans, sie fühlte immer weniger.
    Und wenn er zurückkam?
    Der Gedanke ließ sie schneller atmen, aber dann beruhigte sich ihre Atmung wieder. Erschöpft begann sie wieder zu weinen.
    Ich will nach Hause, dachte sie. Ich will nach Hause, denn ich habe Bratwürstchen gekauft.
    Sie weinte noch ein wenig und zitterte vom Weinen und von der Kälte.
    Sie musste hier weg.
    Beim Aufrichten schabte der Strick über ihre Handgelenke. Er saß nicht besonders fest. Sie wand die Hände ungefähr eine Minute lang in verschiedenen Zirkeln hin und her, bekam dann die linke Hand frei, und der Strick fiel herab. Es war völlig dunkel, sie blieb stehen und suchte mit den Augen nach einem hellen Türspalt, sah aber keinen.
    Und wenn er abgeschlossen hatte?
    Sie stolperte zur Wand, tastete über die Bretter, riss sich Splitter in die Haut, dann gab die Wand nach, die Tür glitt auf. Der Wind erfasste die Tür, eine wütende Kälte zog vom Meer herauf. Draußen erkannte sie Bäume und einen kleinen Weg.
    Großer Gott, wo war sie nur?
    Sie lehnte sich an den Türpfosten, schloss die Augen und strich sich über die Stirn.
    Sie hatten den Roslagsvägen genommen und waren kurz vor der Universität von der Autobahn abgefahren. Sie befand sich irgendwo nördlich des Lill-Jans-Waldes, hinter Stora Skuggan. Sie rieb sich die trockenen und rot unterlaufenen Augen.
    Linie 56, dachte sie, fährt von Stora Skuggan nach Kungsholmen.
    Sie trat hinaus, da unten verlief eine Art Weg. Sie blieb stehen und schaute in den Himmel hinauf. Rechter Hand wurde er heller, dort schimmerte der Horizont gelbrosa.
    Das ist nicht die Sonne, dachte sie, das ist die Stadt.
    Sie ging los.

MITTWOCH, 5. DEZEMBER
    Die Besprechung um elf begann wie immer mit zehnminütiger Verspätung. Anders Schyman wurde immer gereizter. Ein Gedanke, der ihm in letzter Zeit immer häufiger kam, tauchte auch jetzt wieder auf.
    Sobald ich die Macht übernommen habe, werde ich Arbeitsabläufe einführen, an die sich alle zu halten haben.
    Er hatte sich gerade hingesetzt und die Kollegen zum Schweigen gebracht, als Torstensson an die Tür klopfte.
    Schyman hob erstaunt die Augenbrauen, denn der Chefredakteur war bei den täglichen Besprechungen nur selten anwesend.
    »Herzlich willkommen«, sagte der Redaktionsleiter eine Spur zu sarkastisch. »Wir haben schon angefangen.«
    Torstensson sah sich verwirrt nach einem freien Stuhl um.
    »Da in der Ecke.« Schyman zeigte in die Richtung.
    Der Chefredakteur räusperte sich und blieb stehen.
    »Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen«, sagte er mit leicht gellender Stimme.
    Anders Schyman machte keine Anstalten, aufzustehen und dem verantwortlichen Herausgeber der Zeitung seinen eigenen Platz am Kopfende des Tisches anzubieten.
    »Setzen Sie sich«, sagte er und zeigte erneut auf den freien Platz am hinteren Ende des Tisches.
    Torstensson schlurfte los, scharrte mit dem Stuhl und setzte sich.
    Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, alle starrten den kleinen Mann an. Wieder räusperte er sich.
    »Mein Auftrag in Brüssel ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden«, sagte er. »Ich bin soeben vom Parteisekretär unterrichtet worden, dass Öffentlichkeitsarbeit dort nicht länger Vorrang hat.
    Wie die Dinge nun liegen, werde ich unsere Zeitung in der nächsten Zeit nicht verlassen.«
    Er verstummte, Verbitterung hing im Raum. Einer der Leitartikler ließ ein bedauerndes Geräusch hören, die anderen blickten verstohlen zum Redaktionsleiter hinüber.
    Anders Schyman saß wie angewurzelt auf seinem Stuhl, sein

Weitere Kostenlose Bücher