Paradies
Geschichte über eine neue Moderatorin der Sendung
Die Frauencouch
machen«, meinte der Leiter der Unterhaltungsredaktion. »Sie heißt Michelle Carlsson und sieht verdammt gut aus.«
Interessierte Rufe waren zu hören.
»Große Titten?«
»Ist sie für Body-Painting zu haben?«
»Wissen wir eigentlich, was dieses Jahr das beliebteste Weihnachtsgeschenk wird?«, erkundigte sich Schyman nachdenklich. »Oder ob einer der traditionellen Cartoons aus dem traditionellen Disney-Weihnachtsprogramm gestrichen werden soll?«
Augenbrauen wurden gerunzelt, denn alle erinnerten sich noch an den Aufschrei des Entsetzens, als der Stier Ferdinand gestrichen werden sollte. Ein unartikuliertes Gegackere brach aus, und Schyman ließ sie gewähren. Er beobachtete den Chefredakteur hinten in seiner Ecke. Schweiß stand ihm auf der Stirn, niemand beachtete ihn.
Ich bin ein schlechter Mensch, dachte Schyman erneut.
Andererseits weiß ich wenigstens genau, was ich tue. Ist es wirklich gut, die Inkompetenz regieren zu lassen? Soll ich diesen Schwachkopf Torstensson die Zeitung in den Ruin treiben lassen, sodass mehrere hundert Menschen arbeitslos werden und sich die Medienvielfalt weiter verringert?
»Was meinen Sie, Torstensson?«, fragte er ruhig. »Was sollen wir Ihrer Meinung nach bringen?«
Der Chefredakteur stand auf.
»Ich muss eine Besprechung vorbereiten«, sagte er, schob seinen Stuhl quietschend zurück und ging hinaus.
Als sich die Tür mit einem kurzen, wütenden Knall hinter ihm schloss, zuckte Anders Schyman vielsagend mit den Schultern.
»Okay«, sagte er. »Wo waren wir stehen geblieben?«
Annika stieg aus dem Bett. Ihr war kalt, und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie ging in die Küche, hatte den Metallgeschmack im Mund, das bitter Verbrannte, putzte sich die Zähne, schrubbte und schrubbte. Sie goss Joghurt in einen Teller, aß, ihr wurde schlecht. Eine Weile saß sie regungslos am Tisch, starrte Großmutters Kerzenständer an, atmete und sah die Strohsterne tanzen.
Sie hatte flimmernde und verschwommene Erinnerungen an ihre Heimkehr am Abend zuvor. Von dem Schuppen aus war sie Richtung Straße gegangen. Sie wusste nicht, wie weit sie gelaufen war, aber schon recht bald kam sie auf der Rückseite eines Streichelzoos aus dem Wald und sah eine Bushaltestelle. Auf der Bank wäre sie beinahe eingeschlafen, während sie auf den Bus wartete.
Dann kam er, es war die Linie 56. Die Menschen im Bus benahmen sich ganz normal, niemand beachtete sie, niemand sah, dass sie gebrandmarkt und vom Tode gezeichnet war.
In dieser Nacht hatte sie immer wieder Albträume und erwachte von ihren eigenen Schreien. Die Männer vom Studio 6 hatten versucht, sie zu ersticken. Sie bekam keine Luft mehr, stand vom Tisch auf, die Wände stürzten über ihr ein, sie schleppte sich ins Wohnzimmer, die Beine gaben nach, sie landete auf dem Fußboden, schlug die Arme um die Unterschenkel, gekrümmt wie ein Fötus, ihre Atemzüge wurden immer kürzer, starrer, krampfhafter.
Erschöpft lag sie da, hatte überall Schmerzen, stand nicht wieder auf. Sie schlief ein und wurde vom Klingeln des Telefons geweckt, aber sie ging nicht an den Apparat.
Stattdessen setzte sie sich auf die Couch und schloss die Augen.
Der weiße Sarg tanzte auf ihrer Netzhaut, das Murmeln des Offiziers hallte in ihren Ohren wider, der Geschmack von Metall war in ihrem Mund.
Sie atmete ein paar Mal tief durch. Die Wände hoben sich und sanken wieder, das geht vorbei, das geht vorbei. Dann ging sie in die Küche, wo der Kerzenständer ihrer Großmutter glänzte, trank Wasser, viel Wasser, wollte den Metallgeschmack loswerden, weinte. Sie öffnete den Küchenschrank und starrte wieder einmal die Verpackung mit den Tabletten an, fünfundzwanzig in Stanniol verpackte 15 Milligramm Sobril, und hörte wieder die Stimme der Ärztin.
Es ist praktisch unmöglich, eine Überdosis zu nehmen, aber Sie dürfen die Tabletten nicht zusammen mit Alkohol einnehmen, dann werden sie gefährlich.
Sie holte die Tabletten aus der Schachtel und drückte leicht auf die Verpackung. Es klickte und raschelte unter den Plastikblasen.
Sie hielt die erste Tablette über eine Kaffeetasse und drückte zu.
Mit einem Klingeln fiel sie in die Porzellantasse. Anschließend drückte sie eine Tablette nach der anderen heraus.
Auf dem Grund der Tasse bildete sich nach und nach ein kleiner Haufen, der nach nichts roch, als sie eine probierte, jedoch bitter schmeckte. Sie schwenkte die
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