Paradies
Rücken, verschnürte ihre Hände und presste die kalte Mündung einer Pistole in ihren Nacken.
»Du weißt, wie es Aida ergangen ist.«
Sie schloss die Augen. Der Abwehrmechanismus setzte ein, und sie fühlte nichts, wandte alles nach innen, schaltete ab.
Ich muss tun, was er sagt.
»Jetzt aber rein mit dir, zum Teufel.«
Ratko riss die Tür zu dem blauen Auto auf. Sie stolperte versteinert auf den Rücksitz, sah den Mann um das Auto herumgehen, den Motor anlassen und losfahren. Sie starrte seinen Nacken an. Weiße Schuppen lagen auf den dunklen Aufschlägen seiner Jacke. Es war, als wäre sie von der Wirklichkeit abgeschirmt, als wäre Plexiglas zwischen ihr und der Welt. Sie blickte zu den Häusern hinaus, die vorbeirauschten, sah aber keinen Menschen, niemand beachtete sie.
»Die Waffe liegt auf meinem Schoß«, sagte Ratko. »Ich erschieße dich, wenn du Mätzchen machst.«
Die Sonne würde bald untergehen, der Tag war rot und kalt. Blåkulla wirbelte vorbei, der Solnavägen, Autos, Menschen, niemand, dem sie etwas zurufen konnte, niemand, der ihr helfen konnte. Sie saß eingeklemmt auf dem Rücksitz eines schmutzigen kleinen Autos, saß auf ihren Händen, sie taten weh. Sie versuchte sich zu bewegen, um das Gewicht zu verlagern.
Der Mann am Steuer machte einen Schlenker, warf ihr einen kurzen Blick über die Schulter zu und schrie sie an.
»Sitz still, verdammt noch mal.«
Sie erstarrte mitten in der Bewegung.
»Ich sitze so unbequem.«
»Halt’s Maul!«
Sie fuhren die nördliche Umgehungsstraße bis Norrtull, Sveaplan, Cederdalsgatan. Der Verkehr brauste um sie herum, Tausende von Menschen umgaben sie, dennoch war sie so allein, immer allein.
Sie schloss die Augen und sah Aidas Sarg vor sich, sah den gebeugten Rücken des Mannes, hörte sein Murmeln.
Vielleicht bin ich jetzt an der Reihe.
In einem Stau kurz vor Roslagstull kamen sie zum Stehen. Sie schaute direkt in ein anderes kleines Auto hinein, in dem eine Mutter mit ihrem kleinen Kind saß. Sie starrte die Frau an und versuchte ihren Blick auf sich zu ziehen. Schließlich fühlte sich die Frau beobachtet, sah zu ihr hin. Annika riss die Augen auf und bewegte überdeutlich den Mund.
Hilfe, sagte sie stumm. Helfen Sie mir!
Die Frau wandte sich schnell ab.
Nein!, dachte sie. Sieh mich an! Hilf mir!
»Hilfe!«, schrie sie gellend und hämmerte den Kopf gegen die Scheibe. »Zu Hilfe! Zu Hilfe!«
Die Schläge hallten durch ihren Kopf, und ihr wurde ganz schwindlig. Das Glas war hart und kalt.
Ratko erstarrte, rührte sich aber nicht und fuhr mit der Wagenkolonne langsam weiter Richtung Roslagsvägen.
Annika holte tief Luft und schrie, so laut sie konnte.
»Er hat mich gekidnappt!«, brüllte sie. »Zu Hilfe! Hilfe!«
Die Autos glitten eins nach dem anderen an ihr vorbei, passierten sie im Abstand von einem Meter und doch tausend Jahre entfernt, isoliert von ihr. Sie riss den Mund auf, schrie, warf sich gegen das Autodach, schwitzte, ihr wurde schwindlig, sie wurde heiser. Sie warf sich lauthals schreiend gegen die Scheibe, donnerte den Schädel gegen das Glas. Ein Mann in einem neuen Volvo begegnete ihrem Blick und sah sie bekümmert an. Ratko wandte sich dem Mann zu, zuckte mit den Schultern und lächelte. Der Mann lächelte zurück.
Annika hielt keuchend inne, es hatte keinen Sinn. Die Menschen um sie herum waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Was sollten sie sich da noch mit einer schreienden Verrückten auf der Nebenspur abgeben?
Sie verstummte. Sie hatte Kopfschmerzen von all den Schlägen und begann zu weinen. Ratko sagte nichts. Am Roslagstull löste sich der Stau auf. Sie kamen am Naturhistorischen Museum vorbei und bogen bei Albano ab. Annika ließ ihren Tränen freien Lauf, jetzt war es aus mit ihr, wer hätte gedacht, dass es so enden würde.
Der Wagen fuhr jetzt durch zahlreiche kleinere Straßen. Auf den Schildern las sie im Vorbeifahren Björnnäsvägen, Fiskartorpsvägen, Wald, Bäume.
Schließlich hielt der Wagen. Annika starrte geradeaus; vor ihnen, auf der anderen Seite der Windschutzscheibe, stand ein alter Schuppen. Ratko ging um das Auto herum, holte etwas aus dem Kofferraum, öffnete die Beifahrertür und riss den Beifahrersitz nach vorn.
»Steig aus«, sagte er.
Sie gehorchte, der Hals tat ihr weh.
»Was willst du von mir?«, fragte sie heiser.
»In den Schuppen«, erwiderte der Mann.
Er versetzte ihr einen Stoß, und sie stolperte halb bewusstlos vorwärts.
Im Inneren des Bretterverschlags war
Weitere Kostenlose Bücher