Paraforce 1 - Aller Anfang ist schwer
Jacques Baptiste springt auf und kommt um seinen Schreibtisch, um mich zu umarmen. »Ich freue mich, dich zu sehen. Als es hieß, du seist in Kolumbien verschollen … Nun ja, du siehst den Umständen entsprechend gut aus.«
Er lässt von mir ab und begrüßt Jane mit der gleichen Herzlichkeit, die er mir und jedem anderen entgegenbringt. Solange jeder seinen Job tut, ist er eine Seele von Mensch. Er kann aber auch anders, wie man mir erzählte, und wenn er wütend ist, dann wackeln auch mal die Wände.
Mein Blick gleitet zu einem konservativ gekleideten Mann, der auf einem schwarzen Ledersofa sitzt und mir einen missbilligenden Blick schenkt.
Oh Fuck! James Elwood Blackstone III. – das kann heiter werden. In Großbritannien gibt es ein geflügeltes Wort im Bezug auf Sir Blackstone: Gegen Blackstone war Queen Victoria ein Partygirl . Das sagt alles über den Adligen aus, dessen Name als Steigerungsform für Konservativ in der Encyclopædia Britannica zu finden ist.
»Mein Assistent – Sir Blackstone der Dritte. Er fungiert als Rechtsberater, denn er ist ein intimer Kenner des Völkerrechts. Er wacht darüber, dass jeder Mitarbeiter der Paraforce die im Weltsicherheitsrat beschlossenen und von der Vollversammlung ratifizierten Regeln einhält.«
Baptiste sagt dies auf eine Weise, die verdeutlicht, dass auch er gut ohne dieses Schoßhündchen auskäme.
»Da bin ich aber froh!« Mehr fällt mir dazu nicht ein.
»Miss Stewart«, näselt Blackstone in der ihm eigenen, vielfach persiflierten Stimme, »ich war von Anfang an dagegen, Sie für unsere Abteilung zu rekrutieren. Sie sind krank und sollten nicht als aktive Agentin arbeiten. Wer weiß, wo sie sich dieses Virus eingefangen haben …«
»In Kolumbien, als ich für mein Land Leib und Leben riskierte!«, lasse ich Blackstone wissen. Meine Stimme ist eisig. »Ich war nicht erfreut, als man mich inhaftierte und aburteilte. Noch weniger erfreuten mich jedoch die Besuche der Wärter, die mich jeden zweiten Tag missbrauchten.«
»Das sagen Sie. Aber wer sagt uns, dass Sie nicht schon …«
»Die ärztlichen Protokolle des MI6. Sie können diese gerne einsehen, Sir Blackstone.« Zorn gärt in mir. Am liebsten würde ich dieses dürre Männchen mit seiner spitzen Nase und dem glattrasierten Gesicht schütteln, bis ihm der Stock aus dem Arsch fällt, den er sich vermutlich schon in jungen Jahren reingeschoben hat. Vorgesetzte anzugreifen macht sich jedoch nicht sonderlich gut in einer Dienstakte.
»Nun, wenn Sie das sagen …« Er ist noch immer nicht überzeugt, will aber das Thema auch nicht vertiefen.
Baptiste schenkt dem Adligen ebenfalls einen verärgerten Blick. Vermutlich wird er ein Wörtchen mit ihm sprechen, sobald Jane und ich das Büro verlassen haben.
»Wenn du nichts dagegen hast, dann schaue ich mir mal mein Büro an.«
Meinen fragenden Blick bestätigt Baptiste mit einem knappen Nicken. Jane, die ihre Fröhlichkeit während meines Geplänkels mit Blackstone verloren hat, beeilt sich, zur Tür zu kommen.
»Ich habe dir den Raum gegenüber zugewiesen. Du teilst ihn dir mit Jane. Ihr kennt euch, also bildet ihr ein Team. Ich hoffe, das ist in eurem Sinne?«
Wir nicken.
Es gibt zwei Lager, wenn man so will. Die einen sagen, Agent und Operator sollten nicht zu eng befreundet sein, da emotionale Bindungen die Arbeit verkomplizieren. Andere sind der Meinung, dass eine Freundschaft das Team schlagkräftiger macht, weil man einander blind vertraut.
Ich habe dazu keine Meinung, zumal ich als Agentin lediglich das Center of Operations in Vauxhall Cross zur Verfügung hatte, wenn ich Unterstützung benötigte. Und dort tun ganz verschiedene Agenten Dienst.
»Was läuft da eigentlich zwischen dir und Blackstone?«, fragt Jane, als wir über den Flur gehen. »Kennt ihr euch?«
»Bislang nicht. Aber jetzt weiß ich, dass er ein Arschloch ist. Vermutet hatte ich es schon lange. Man muss sich nur seine Artikel in der Times anschauen.«
Wir betreten unser Büro – und sehen einen Mann in Arbeitskleidung in meinem Bürostuhl lümmeln. Seine Beine liegen auf dem Schreibtisch, in der Hand hält er ein Magazin mit dem vielsagenden Titel Möpse und Autos . Neben der Tastatur stehen ein Becher mit Kaffee sowie ein kleiner Flachmann.
»Stören wir?«, frage ich ironisch und reiße den Mann damit aus seinen Betrachtungen. Erschrocken springt er auf, das Magazin verschwindet unter seinem Shirt, den Flachmann steckt er in die Hosentasche. »'tschuldigung«,
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