Paraforce 3 - Jagd auf einen Totengeist
auf die im Bett liegende Frau mit blassem Gesicht und geschlossenen Augen, deren Kopf bandagiert war.
»Ich bin ihre Schwester.«
Ben entsann sich, dass Clemens Kaulmann, der Junge, der auf so tragische Weise seinen Vater und beinah auch seine Mutter verloren hatte, zurzeit bei ihr wohnte. »Wie geht es ihr?«
»Sie ist Gott sei Dank außer Lebensgefahr. Sie hat einige komplizierte Brüche, besonders ihre Beine und die Hüfte sind in Mitleidenschaft gezogen worden, und auch am Kopf hat sie einiges abbekommen, aber die Ärzte meinten, dass Eva wieder weitestgehend hergestellt werden kann. Natürlich wird es lange dauern, aber …« Sie brach ab und schüttelte den Kopf, als könne sie immer noch nicht verstehen, was vorgefallen war. »Das ist alles so schrecklich. Wie hat sie nur so etwas tun können?«
Leise sagte Ben: »Sie ist nicht verantwortlich für das, was passiert ist.«
»Genau das sagten mir Ihre Kollegen ebenfalls.« Durch ihre eigene Äußerung keimte ein Gedanke in ihrem Kopf auf, den sie sogleich äußerte. »Sind Sie denn überhaupt von der Polizei?«
Ben nickte beruhigend. Um lange Erklärungen zu vermeiden, sagte er: »Ich arbeite eng mit Hauptkommissar Crenz zusammen, der für diesen Fall verantwortlich ist.«
Frau Bender genügte diese Erklärung. »Aber kann ich glauben, was Ihre Kollegen mir sagten? Warum sollte sie denn unschuldig sein? Sie hat ihren Mann ermordet. Und sie wollte auch Clemens töten.« In ihren aufgerissenen Augen sah Ben Wut und Resignation gleichermaßen. »Und selbst wenn es stimmt, was sie sagen: Ändert dies etwas?«
»Das ändert eine Menge«, widersprach Ben, »und zwar nicht nur aus juristischer Sicht. Ihre Schwester ist keine Mörderin, sondern ein Opfer wie ihr Mann und Clemens. Ich weiß, das ist schwer zu glauben, weil die Fakten eine andere Sprache sprechen, aber es ist dennoch so, wie ich es sage. Sie können mir vertrauen.«
Heike Bender warf ihm ein schwaches Lächeln zu, bevor sich ihr Gesicht schlagartig wieder verdüsterte. »Clemens fragt oft nach seiner Mutter. Und natürlich auch nach seinem Vater. Ich bin mir sicher, er weiß, was geschehen ist, auch wenn er bislang noch kein Wort darüber verloren hat. Manchmal ist er mir unheimlich. Er verhält sich vollkommen normal, als sei nie etwas geschehen. Ich weiß nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll.« Sie blickte Ben an, ein Funkeln von Tränen, die strömen wollten, war in ihren Augen. »Wie soll sein Leben denn weitergehen? Und wie soll meines weitergehen? Ständig habe ich Angst, dass etwas geschieht, ohne dass ich meine Angst eingrenzen könnte. Verstehen Sie das?«
Ben nickte. Während er noch überlegte, was er erwidern könnte, fragte sie ihn mit vollkommen verändertem Tonfall: »Was halten Sie davon, wenn wir in die Cafeteria gehen? Ich hätte Lust auf einen Kaffee. Sie vielleicht auch? Dort kann ich vielleicht vergessen, dass ich in einem Krankenhaus bin. War oft genug in welchen und selten ging es gut aus.« Hastig stand sie auf und blickte ihn voller Erwartung an.
Ben hatte nichts gegen einen Ortswechsel einzuwenden, zumal er der Frau insgeheim zustimmen musste; auch ihn schüchterte die Atmosphäre eines Krankenhauses ein. Außerdem hoffte er, mehr über Eva Kaulmann und ihr Leben zu erfahren. Vielleicht wusste ihre Schwester Details, die ihm helfen würden, Licht ins Dunkel zu bringen. Hatte es Veränderungen im Leben von Eva Kaulmann gegeben, vielleicht Begegnungen oder Bekanntschaften, die sie geschlossen hatte?
Heike Bender wartete bereits an der Tür und ließ Ben den Vortritt. Er nickte ihr im Vorübergehen zu und schenkte ihr ein Lächeln, das sie erwiderte. Beinah kam es ihm so vor, als sei sie erleichtert, das Krankenzimmer endlich verlassen zu können. Auf dem Gang wandte Ben sich nach links, wo das Treppenhaus und die Aufzüge lagen, doch bereits nach wenigen Schritten blieb er stehen. Einige Meter entfernt sah er erneut den Mann, mit dem er vorhin beinah zusammengestoßen wäre. Konnte das ein Zufall sein?
Heike Bender schloss zu Ben auf und blieb zögernd neben ihm stehen. »Stimmt etwas nicht?«
Ben brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Entschuldigen Sie«, sagte er laut, »dürfte ich wissen, was Sie hier tun?«
Weiter vorn drehten sich zwei Krankenschwestern um und blickten zu ihm hinüber. Eine von ihnen kam zwei, drei zögerliche Schritte auf ihn zu; wahrscheinlich wollte sie ihn für seinen lauten Ruf maßregeln.
Der angesprochene Mann
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