Parallelgeschichten
schloss sie schließlich die Schenkel. Schmerzhaft zog sich ihre Gebärmutter zusammen, zum fordernden Takt des schnalzenden kleinen Mundes. Milch hatte sie, reichlich. Sie musste den Hintern auf den Stuhl pressen, damit es nicht so wehtat, wenn der Muttermund nach innen zuckte, sie zog die Luft zischend ein. Genoss es aber auch. Der laue, leuchtend gewordene Blick der anderen Frau verwöhnte sie geradezu, koste sie fast. Die andere verstand sehr wohl, warum sie zischte. Sie hätte gern ausprobiert, ob sich die Sache wirklich so verhielt. Als sich ihre Blicke trafen, spürte sie, dass sie Hunger hatte. Ihre Scheide verkrampfte und löste sich immer wieder aufs Neue, während sie nicht einmal sich selbst zu sagen gewusst hätte, worauf sie rechnete oder hungrig war.
Ein nüchterner, heller Vormittag, der Säugling arbeitete an ihrer prallen Brust. Wollte sie, dass die schauerliche Masse des geäderten harten Schwanzes und der bis zum Platzen gespannten Eichel sie bis zum Muttermund ausfülle, oder dass vielmehr der mächtig verzerrte Mund dieser Frau den unverständlichen und erniedrigenden Schmerz auflöse und man sie nie mehr aufstemme.
Im ersten Jahr ihrer Ehe waren sie zum ersten Mal nach Capri gefahren, im Frühling neunzehnhundertvierundzwanzig.
Sie waren in der Villa Filomena abgestiegen, auf der stillen und billigeren Seite der Insel, in Anacapri. Die Villa mit ihren säulengeschmückten Terrassen schwebte am Rand steiler Felsen fast hundert Meter über dem Meer. An dem Morgen stiegen sie über enge, erschreckend steil in den Fels gehauene Treppen zum Wasser hinunter. Die Stufen wollten nicht aufhören. Sie beklagte sich mit keinem Wort, obwohl ihr die Knie zitterten, aber nicht nur vor Angst. Unter ihnen in der Tiefe schaukelte das kleine Boot mit den Männern wie ein auf die Wellen geratenes trockenes Lorbeerblatt. Sie hielt sich fest, Stufe um Stufe, die Tiefe zog sie unwiderstehlich an, als atmete in ihr ein anderes, beängstigendes Wesen, das sie gern hinunterreißen würde. Leichte Winde drückten ihr das hellblaue Seidenkleid an die Haut.
Das war lustvoll genug, sie zurückzuhalten.
Unten hob sich das kleine Boot, tauchte anmutig ab, an den schattigen Felsen donnerten und dengelten die anklatschenden Wellen, das Wasser schäumte weiß.
Jene, die Jahre danach im Winterlicht, das durch den dicken nordischen Nebelvorhang sickerte, das Stillen beobachtete, war die Tochter des Hoteliers in Groningen, Geerte van Groot. Das seltsame Geschöpf, zu dem ihre Vorstellung immer wieder zwanghaft zurückkehrte, denn sie hatte es nie mehr gesehen. Ein paar Jahre älter als sie, selbst Mutter zweier Kinder. Aus einem Grund, den sie lange nicht verriet, war sie nach einigen Ehejahren mit den Kleinen ins Elternhaus zurückgekehrt. In einem solchen schmalen, hohen, spitzbogigen Groninger Haus werden höchstens die Tapeten ausgewechselt, sonst verändert sich jahrhundertelang nichts. Geerte van Groot wohnte in der Mansarde des ans Hotel angebauten Wohnhauses, in ihrem Jungmädchenzimmerchen.
Im ersten Stock hatte man die Brandmauer zwischen Wohnhaus und Hotel durchbrochen.
Das Kind wurde allmählich satt und müde. Es saugte nicht mehr, schmatzte nur noch an der Brust herum, manchmal mit einem leeren Schnalzen, wenn seine Lippen doch noch so viel schläfrige Saugkraft aufbrachten, die Warze nicht loszulassen. Sein kleiner Körper aber schlief schon, hatte sich gelockert, seinem Gesicht war einen Moment lang anzusehen, wie es dagegen kämpfte. Als nähme ihm der nahende Schlaf die Milch weg, fertig, Schluss. Was er anstelle der Milch gab, war fade, etwas Unerwünschtes, Unbekanntes. Davon würde man bestimmt nicht satt. Sein Gesichtchen verzerrte sich qualvoll, es strampelte ein bisschen mit den Füßen. Und begann um ein Haar zu weinen. Zweimal noch schmatzte es rasch an der Warze. Das alles mit einer so hartnäckigen Anspannung, dass es sich endgültig ermüdete.
Dann eben doch der Schlaf. Sein kleiner Mund blieb offen, durch die Winkel floss ein Milchfaden heraus.
Seine Mutter wischte ihn mit einem feuchten Tuch weg, zuerst von seinem Mund, dann von ihrer Brust. Geerte van Groot saß auf einem ebenso steiflehnigen Stuhl ihr gegenüber.
Es war kein Hotelzimmer, sondern ein richtiger Rittersaal, dessen hohe, in Quadrate eingeteilte Fenster auf den dumpfen Nebel hinausgingen. Weder sah man am gegenüberliegenden Ufer des Kanals die kahlen Baumkronen im Schlosspark noch durch die andere Fensterreihe die roten
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