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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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fügte sie leicht verlegen hinzu. Und verstummte sogleich, weil sie sich selbst nicht bei einer Lüge ertappen wollte.
    Sie verstummte, denn bis dahin hatte auch sie nicht gedacht, dass es nicht einfach wäre. Genauer, sie verstand nicht, warum es nicht so einfach war, wie es sein sollte.
    Man hat das Gefühl, wenigstens ich hatte ständig das Gefühl, dass ich mich nie mehr von meinem Kind trennen kann, fuhr Geerte fort. Ich will das auch gar nicht nur meinem Mann anlasten. Die Beziehung zwischen zwei Menschen ist schon heikel genug, und erst noch zwischen dreien, dann vieren. Es ist zwar schon so, dass er sich ziemlich seltsam benommen hat, das heißt, er ist schon nach dem ersten grob geworden. Grob war er schon vorher gewesen, aber ich hatte nicht gemerkt, was für ein Mensch er war.
    Er ertrug nicht, dass ich, wenn wir jeder für uns waren, nicht so allein war wie er. Als hätte er gewollt, dass wir nur wieder zu zweit sein sollten.
    Und seither schäme ich mich, oder eher, ich schäme mich für ihn. Aber entscheidend ist bestimmt, dass man sich nie von seinem Kind trennen kann, keine Sekunde, weil es kein Körper für sich ist. Oder man kann sich nicht von sich selbst trennen, und das Ganze ist nichts als ein furchtbarer, tierischer Egoismus. Man kann nichts von sich geben beziehungsweise alles, was man gibt, ist für das Kind.
    Vielleicht darf man so etwas nicht sagen, aber vielleicht bin ich keine gute Mutter, sagte Erna nach einer Weile still, denn ehrlich gesagt, ich fühle das nicht.
    Nicht.
    Nein, wirklich nicht. Und mit mir ist mein Mann überhaupt nicht grob, sondern geduldig, aufmerksam, rücksichtsvoll. Er drückt eher nur seine Freude aus, streichelt mich, küsst mich, will mich verwöhnen, ich spüre, ich weiß, dass er nicht nur an sich denkt, nicht nur daran, dass alles wieder sei wie früher. Manchmal ist er richtig rührend. Einmal haben wir sogar zusammen geweint.
    Sie schwiegen lange, bevor Erna wieder etwas sagen konnte.
    Und doch nicht, nein.
    Dann ist es sicher etwas anderes.
    Etwas anderes.
    Ich weiß es nicht.
    Es ist so, als wäre ich irgendwie schon lange aufgespalten, aufgewühlt, zerschunden. Und wie könnte ich dann wollen, er solle wieder in mich eindringen wie früher. Nein, nur das nicht. Dann lieber nie mehr. Ich bin nicht vollständig. Na gut, zuerst denkt man, das sei wegen des gerissenen Damms. Als ich das Mädchen zur Welt brachte, war er vielleicht nicht einmal so stark gerissen wie beim Jungen, oder er ist schneller verheilt. Oder ich weiß nicht, deshalb frage ich Sie, weil ich einfach nicht weiß, was los ist, und allmählich bekomme ich Angst. Auch dieses Stillen, ehrlich. Verzeihen Sie, dass ich das sage. Jetzt, beim Jungen, hat es nicht so wehgetan, oder ich wusste, was mich erwartet, und es tat deshalb weniger weh. Aber seither ist mein ganzer Körper aufgewühlt, mein ganzer Organismus, alles, und ich kann machen, was ich will, es hört nicht auf. Alles. Mag sein, dass ich bloß ungeduldig bin, aber ich weiß nicht, gemessen woran ich mit ihm, oder mit mir, oder mit wem auch immer geduldig sein müsste.
    Und wie Sie sehen, fließe ich völlig über. Na gut, das hört wieder auf, aber manchmal widert es mich so an. Muss ich das jedes Mal ertragen.
    Mit der einen stille ich, sagte sie mit einem kleinen Lachen und hob die Brust an, und inzwischen fließt es aus der anderen heraus. Und der ganze Rest, von dem man nicht redet. Was man alles durchmachen muss.
    Ja, ich bin zerwühlt, aufgewühlt, fortwährend ist da so ein Aufgewühltsein. Und ich will auch nicht mehr fühlen, dass es gut ist. Es ist gut, dieses Aufgewühltsein. Sehr, sehr gut, rief sie.
    Sie musste sich beherrschen.
    Haben Sie nie so etwas gespürt, das möchte ich fragen, als hätte man Sie aus Ihrem eigenen Körper hinausgestoßen, so dass Sie nicht mehr zurückfinden, weil sich inzwischen alles verändert hat. Davor habe ich Angst, davor zittere ich, dass ich nicht weiß, wo ich dann bin.
    Oder wer ich bin.
    Das wollte ich fragen, ob Sie das auch gefühlt haben.
    Nein, so etwas habe ich nie gefühlt, sagte Geerte trocken. Wahrscheinlich ist das für jede von uns anders.
    Bestimmt haben Sie nicht so zugenommen wie ich.
    Nein, vielleicht nicht. Ich habe selbst gestaunt, dass ich mit diesen kleinen Brüsten normal stillen konnte und mein Kind völlig zufrieden war.
    Weil Sie eine gute Mutter sind. Und mit Ihrem Körper nicht so unglücklich wie ich.
    Geerte antwortete nicht, weil sie diesen Satz als

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