Parallelgeschichten
Aufeinanderklatschen ihrer Bäuche und Lenden zu hören.
Etwas vom rötlichen, schwülen Sommersonnenuntergang dämmerte noch in der unfreundlichen Atmosphäre des von den Hintertrakten der Häuser und kahlen Brandmauern umgebenen großen Innenhofs.
Lass uns so liegen bleiben, flüsterte Gyöngyvér in den Hals des Mannes hinein, nur so, beweg dich nicht in mir, bitte, und sie spürte, wie ihr eigener heißer Atem über die kühle Schweißschicht lief, als ergieße er sich auf ihre schaudernde Haut. Ihr schüttelfrostiges Zittern hörte nicht auf. Wenn du redest, nein, bitte rede nicht, denn dann habe ich das Gefühl, dass deine Stimme in mich eindringt. Sie hätte gern hinzugefügt, dass das schrecklich gut war. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie je die Kraft finden würde, hier wieder aufzustehen, um zur Arbeit zu gehen. In der Tiefe meines Körpers, in meinem Bauch fühle ich die Wellen deiner seidigen Stimme, sie dringt in mich ein, dringt ein, ich werde von ihr dauernd befriedigt. Das verschwieg sie lieber, weil sie sich fürchtete. Wie jemand, der etwas hamstert. Vielleicht wurde sie von Furcht geschüttelt. Die Dinge, die sie nicht aussprechen konnte, die nicht sagbar waren, vergrößerten ihre Spannung.
Von unten waren das Quietschen von Dreirädern, Kinderrufe, das kurze Knallen von aufschlagenden Gummibällen zu hören und aus den offenen Fenstern der beleuchteten Küchen die Radios. Musik und Reden verflochten sich, ihre Körper schüttelten sich im Takt pulsierender, abgehackter Wellen. Das viel höher als üblich angebrachte Fenster dieses im sechsten Stock befindlichen Dienstmädchenzimmers in der Neuleopoldstadt stand einen Spaltbreit offen; im durchdringenden Geruch des auf Zwiebeln gedünsteten Paprikas und der süßen Tomaten spürten sie auch den Duft ihrer schweißnassen Körper. Mit dem starken Geruch des brodelnden Wurstlecsós, der durch den Fensterspalt sickerte, vermischte sich ungehindert Gyöngyvérs Parfüm, was den Mann ein wenig abstieß. Während die Frau gerade dabei war, sich mit Ágosts unbekanntem Duft anzufreunden.
Vielleicht hatte sein in der Stirn klebendes dunkles Haar diesen Geruch. Vielleicht alle seine Poren.
Gyöngyvér bohrte sich für lange Minuten in seine Achselhöhle, leckte den vielen Schweiß ab, sog den Duft des nass verklebten langen Haars ein. Bei jeder Berührung ihrer Zunge zuckte der Mann leicht zusammen und flehte kaum hörbar, nein, nein, das doch lieber nicht, was nicht unbedingt hieß, dass sie auf verbotenes Gebiet gelangt waren, aber natürlich auch nicht das Gegenteil.
Seit vier Tagen hielten sie sich so umschlungen, schliefen kaum, aßen und tranken kaum, trennten sich nur auf ein paar Stunden und machten auf eine Art weiter, als müssten sie sich im nächsten Augenblick auf ewig trennen.
Sie durften keine Sekunde ungenutzt lassen.
Trotzdem hatte Gyöngyvér noch keine Zeit gehabt, den Körper des Mannes zu erforschen, dafür hätte sie ihn ja loslassen, ein klein wenig auf Distanz gehen müssen. Das durfte sie sich nicht erlauben. Im Gegenteil. Er hingegen wollte immer gleichzeitig mehrere Dinge mit ihr tun, von denen notgedrungen nur eins übrig blieb, was ihm dann zu wenig war. Sie konnten sich nicht voneinander losreißen. Fortwährend rangen sie sich mit ihren Küssen nieder, stürzten irgendwohin, auf den Tisch, aufs Bett, wenn sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten, auf den Stuhl, in den Sessel oder auch auf den Fußboden, auf die Küchenfliesen, und ihre völlige körperliche Sicherheit gewannen sie erst zurück, wenn der Mann wieder in sie eindrang.
Kaum hatten sie sich erblickt, machten sie es schon, und diese zu große Nähe wurde zu einem Dauerzustand, kam ihnen aber jedes Mal neu vor. Es wurde still. Sie hielten den Atem an. Höchstens, dass ihr Blut zirkulierte.
Sie hatten keine Übung miteinander, gewannen seltsamerweise auch keine. Worüber sie nicht nur das Zeitgefühl verloren, sondern auch das Interesse für die Außenwelt. Sie wurden füreinander zur einzig möglichen Außenwelt, und gerade deswegen waren sie je einzeln nicht so wichtig, war es nicht nötig, dieses Gesamt aufzuheben. Eigentlich hatten sie kein genaues Bild davon, wo und wie der andere war, denn das Wissen saß in ihren Händen, auf ihren Lippen und ihrer Zunge oder auf den Härchen ihrer Nasenhöhle, sie ahnten eher nur, wo der eine aufhörte, wo der andere begann.
Aber trotzdem, jetzt könntest du trotzdem erzählen. Dann würdest du mich
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