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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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sollen. Wo denn.
    Sie wies es heftig von sich.
    Ich war nie im Ausland, nirgends.
    Ihre von Schweiß schlüpfrigen Körper, aus denen nur das Purpurbraun der hart gewordenen Brustwarzen herausleuchtete, lösten sich voneinander. Sie schlug mit den Fäusten auf die glänzende Brust des Mannes, du machst Witze, ihre kleinen Brüste zitterten dabei. Wie sollte ich das kennen. Ich kenne nur, was du erzählst, und auch das verstehe ich nicht ganz, denn ich bin dumm, ein großes Dummerchen.
    Klar, woher solltet ihr hier das kennen, sagte Ágost gedehnt.
    Er dachte daran, dass man sich nie auf das einstellt, was dann wirklich eintritt. Sie hatten ihn nicht verprügelt. Er verachtete diese Ungarn, und diese Frau, die jetzt mit ihrer Unterwürfigkeit kokettierte, verachtete er ganz besonders, alle, alle Ungarn verachtete er. Ihre geheuchelte Naivität, ihre wahnsinnige Selbstsucht, die nicht mit Individualimus zu verwechseln ist, und auch ihre tatsächliche Ahnungslosigkeit. Und doch zogen ihn diese Eigenschaften auch an wie etwas Liebes, Gemütliches, Altes. Unter der Maske seines verächtlichen Lächelns versuchte er sein früheres, verleugnetes Ich nachzuempfinden, jenes in sich zurückgezogene, selbstsüchtige Ich, fern jeder Realität, jenes Selbstmitleid im Selbsthass. Das anstrengende Gefühl des Mangels, die ewige Sehnsucht nach anderem, die gleichzeitig einer nicht zu befriedigenden Gier, einem quälenden Neid, dem Dünkel, der Verständnislosigkeit und der zerstörerischen Gleichgültigkeit Nahrung bot. Und doch vermochte ihn das nicht abzulenken, denn gleichzeitig erschien vor ihm das andere Gesicht de Lecluses, das des aufmerksamen, fürsorglichen Verführers.
    Und wozu auch müsstet ihr es wissen, fügte er immer noch gedehnt hinzu.
    Immerhin war ich zweimal am Balaton, flüsterte Gyöngyvér und verzog das Gesicht, das ist schon eine große Sache, das darfst du nicht vergessen. Mit ihrer Grimasse gab sie zu verstehen, dass sie sich schämte und zugleich stolz war. Ihrem Leben fehlte etwas, zugegeben, aber dieser Mangel machte ihr Dasein auch besonders.
    Beide fanden das auf einmal so lustig, dass sie lachend mit ihren Lippen zusammenstießen. Einmal, zweimal, schnell, ihre Zähne prallten zusammen. Es tat ein bisschen weh, mit der Zungenspitze linderten sie den Schmerz auf den Lippen des andern.
    Die fremde Sprache, weißt du, ist lähmend und lockend.
    Ich weiß, schrie Gyöngyvér.
    Woher solltest du das wissen, du weißt es nicht. Sie kann dich unbarmherzig schlucken, dich abweisen, er wollte mit dem Thema fortfahren, er war in Gedanken woanders, er rutschte immer noch unbeholfen auf dem schlüpfrigen Holzgitter des Duschraums herum.
    Na, sei nicht so abweisend, Gyöngyvér kicherte in den unschlüssigen, belehrenden Satz hinein.
    Was wollte so ein verwöhnter Idiot sie belehren.
    Gib schon deine lähmende, fremde Zunge.
    Als würde sie von jeder Information gleichzeitig neugierig gemacht und belästigt.
    Dann streckten sie sich gegenseitig die Zungenspitze in die Nasenlöcher, in die Ohren, die Augenhöhlen. Ágost folgte ihr dabei eher nur als braver Schüler, er hätte sich von Jean-Marie de Lecluses Gegenwart befreien müssen, von seinem nassen Körper.
    So, und jetzt wäschst du allen den Rücken.
    Er fand die Frau gewöhnlich, ihre Einfälle primitiv.
    Während sie sich immer mehr hineinsteigerte, deine lockende Zunge, noch mal, ächzte sie.
    Sie führte die Kehrseite ihrer Genüsse vor, war absichtlich grob, doch das machte sie interessant.
    Ach so, die kann sich auch über mich lustig machen, dachte Ágost überrascht. Sie sog und stieß mit der Zunge, womit sie eigentlich ihre Sentimentalität verbergen wollte. Wie um mit den Schlägen ihrer Zunge wiedergutzumachen, was mit dem Mann geschehen war oder hätte geschehen können und was ihr gar nicht so fürchterlich erschien. Daraus strömten eine solche Wärme und Unmittelbarkeit, dass er sich nicht entziehen konnte, so befremdet er auch war.
    Mit ihrem Gekicher füllten sie das kleine Zimmer, das laut und kalt widerhallte. Mit dem Bau der Häuser in der Pozsonyi-Straße war Ende der zwanziger Jahre begonnen worden, noch gemäß der hauptstädtischen Zonenplanung aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die in diesem Stadtviertel Atriumhäuser vorsah. Gebaut wurde mit den neusten und manchmal teuersten Materialien, unter anderem mit Bauxitbeton. Das sich nicht nur als leicht zerstörbares, sondern auch äußerst kaltes Material erwies und in den

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