Parallelgeschichten
Mária.
Aus ihr sprach aber bloß die nicht zu zügelnde Eifersucht, weil die beiden da beim Scherbenklauben aneinander klebenblieben.
Den eifrigen Vorschlag hörend kicherte auch Bella mit, obwohl sie an diesem ganzen Eifersuchtsspiel unbeteiligt war.
Jetzt schau dir die beiden an, sie sprach, als wolle sie in Margit Hubers Wunde wühlen, in diesem Schweinestall wissen die nicht einmal, wohin damit.
Tatsächlich, Mária suchte vor dem vollgestopften Mülleimer nach Ausflüchten. Was sie denn tun solle, wenn sie doch jeden Abend vergesse, ihn hinauszustellen.
Was heißt, was du tun sollst.
Vergiss es halt einfach nicht.
Wartet jedenfalls, ich frage Elisa, ob sie einen möchte.
Vorher aber musste sie im Badezimmer den verletzten Finger spülen, und Irma musste ihn verbinden.
Sie saßen stumm auf dem Badewannenrand und blickten sich nicht an. Hinter ihnen tropfte unruhig der Wasserhahn, und weil er das seit Monaten tat, war auf der Emaille der Wanne ein gelblich brauner Strich. Es war nicht Rost, sondern der sich ablagernde Schwefelgehalt des Thermalwassers, echter und richtiger Schwefel, ein Höllenelement, wie man so sagt. Die Neuleopoldstadt bekam an zwei Abenden in der Woche, mittwochs und samstags, warmes Wasser aus den heißen Quellen der Margareteninsel, was nicht nur Spuren hinterließ, sondern Wohnungen und Treppenhäuser mit dem Gestank fauler Eier durchzog.
Wenn möglich, stahlen sie sich solche kurzen friedlichen Momente, vor denen sie aber auch ein wenig Angst hatten. Als könnte zwischen ihnen etwas nicht Gutzumachendes geschehen, war auch geschehen, und doch konnten sie seit Jahrzehnten nicht darauf verzichten.
Die Beziehung zwischen den vier Freundinnen besaß ihre eigene Etikette, ob sie es wollten oder nicht, seit den gemeinsamen Lyzeumsjahren hatte sich daran kaum etwas geändert. Auch durch die langen Abwesenheiten nicht. Die Anziehung zwischen Mária und Irma war vielleicht am stärksten, auch wenn sie sich aus einiger Distanz betrachteten. Das war nicht Fremdheit, sondern im Gegenteil anhaltende Neugier. Noch immer empfanden sie die andere oder das Benehmen der anderen als attraktiv, sie konnten es nicht leugnen, aber es überstieg doch die gesellschaftlichen Normen, so dass sie die Distanz wahren mussten.
Noch in ihrem Abitursommer waren sie alle ins Ausland gegangen, und als sie nach einer Abwesenheit von mehr als zehn Jahren, schon mit Kindern, geschieden beziehungsweise verwitwet, allmählich nach Budapest zurücksickerten, sahen sie sich die erschreckende, alles durchdringende Veränderung sehr wohl an. Irma kam mit ihrem Mann und ihren beiden stämmigen kleinen Jungen, den Zwillingen, aus Wien, etwas später Mária aus Rom, ein Jahr danach Bella aus Paris, in sehr schlechter seelischer Verfassung, ebenfalls mit einem kleinen Jungen, und zuletzt traf auch Margit aus Berlin ein.
Wenn die sich so verändert hat, dann sieht man mir genauso viel an. Sie waren nunmehr unerträglich eigensinnige, betrogene, hereingelegte, verlassene, von vielem enttäuschte Frauen, aber mit keinem Wort hätten sie ihre Enttäuschung voreinander oder vor sonst jemandem zugegeben. Nur vor sich selbst. Und das war schon genug, um der anderen alles anzusehen, sich über sie zu amüsieren, ihre tief innen noch vorhandene Lustigkeit zu spüren.
In jedem Fall aber blieb ihre Selbständigkeit garantiert.
Über die Wechselfälle ihres Lebens orientierten sie einander eher nur mit halben Worten und Andeutungen, während sie ein wenig zögernd, am zutiefst liberalen Anspruch auf Distanz festhaltend, wieder in die Gefühlsgemeinschaft eintraten, an der sich nichts geändert hatte.
Mária und Margit zankten sich wieder fortwährend, gerieten sich in die Haare, stritten, versöhnten sich, so wie als Mädchen, während die Beziehung zwischen Irma und Izabella trotz gegenseitigem Wohlwollen förmlich blieb. Denn das war für ihre Beziehung schon immer charakteristisch gewesen, dieses gegenseitige und unverbindliche Wohlwollen, das ohne die typisch bürgerlichen Förmlichkeiten ungenießbar ist. Das Nichtssagen als ein Wert an sich, von beiden äußerst geschätzt. Mária ihrerseits regte sich gerade über solche Förmlichkeiten auf. Ihre Erziehung erlaubte ihr, exzentrisch zu sein, den scharfen Ton richtiggehend zu provozieren, wobei sie ihre souveräne Persönlichkeit keineswegs zu verdecken brauchte. Sie war roh. Und hielt Izabella für ein wirres Huhn, eine dumme Gans, fand ihre Höflichkeit undurchsichtig, ihre
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