Parallelgeschichten
reine Demütigung oder reine Selbstaufgabe war, und das wollte mir nicht in den Kopf. Als beobachtete ich fremd und befremdet meine eigene unbefriedigte Bereitschaft zur Selbstaufgabe.
Die Bereitschaft eines Menschen, der sich dauernd Vorwürfe macht, wodurch sein Leben zu einem Zeitverplempern wird. Viel besser wäre es, sich gleich zu entschließen, wenn diese Sache ja doch erblich ist. Aber dieser Jemand wusste nicht, auf welche Art man zu einem Entschluss kam. Deshalb war es besser, auf dem Pfad zu bleiben.
Nicht davon abzukommen.
Nach den örtlichen Regeln bot der Pfad ein wenig Sicherheit, Zuflucht, Schutz, bedeutete den anderen, dass man sich noch nicht entschlossen hatte. Als sagte man, Moment, ich bin noch am Suchen, ich warte noch auf den großen Unbekannten und möchte unbehelligt bleiben, bis ich meine Selbständigkeit aufgebe oder ihn finde.
Es war auch zu befürchten, dass man im Dunkeln in Scheiße trat, schon deshalb war es nicht ratsam, vom Pfad abzukommen.
Es gab auch solche, die getrieben von unerfüllbaren Sehnsüchten endlos auf den Pfaden zirkulierten, weggingen, wiederkamen, viele machten das.
Vergeblich, sie fanden niemanden.
Nicht unbedingt aus Ängstlichkeit, sondern eher, weil sie heikel waren oder ganz besondere Bedürfnisse hatten.
Alles konnte man nicht verstehen.
Vielleicht schon deswegen hätte er gern mit den Draufgängern getauscht, um etwas von ihrem Gleichmut zu verstehen, denen war egal, mit wem, bloß einfach immer wieder. War es denn möglich, auf jeden fremden Annäherungsversuch einzugehen, ihn zu verstehen, allen nachzugeben und doch keinen zu berühren. Was bedeutete, auch von keinem berührt zu werden.
Wenn ihn das Fehlen von körperlicher Berührung nur nicht so gequält hätte.
Sich selber berühren durfte er nicht, das wäre hier zu eindeutig gewesen. Es hätte bedeutet, dass er seinen Körper freigab, beobachtet von allen Seiten, so wie auch er ja alle beobachtete, jede Regung. Das kleinste Signal genügte, und sie stürzten sich richtig aufeinander, befriedigten sich gegenseitig rasch oder zogen es in die Länge, wobei sie darauf achteten, nicht zu ejakulieren, dann eine vage an Dank oder Gruß erinnernde Bewegung, und sie verschwanden spurlos in den Tiefen der Nacht, um mit anderen weiterzumachen. Als betrachteten sie eine längere Verbindung als unnötige Gefühlsduselei. Verschwörer waren das, die ihn nur dann in ihre sorgfältig gehüteten und gefährlichsten Geheimnisse einweihen würden, wenn er vorher den Eid auf ihre Grundprinzipien abgelegt hätte. Seinen Körper jedenfalls hätte er ihnen gleich überlassen sollen. Doch so viel Demut oder eine solche Art von Demut konnte er in sich nicht finden. Aber auch so, abgesondert und unerfahren, war es nicht schlecht, Angst und Schrecken hielten ihn in ständiger Erregung. Er hätte sich gern ganz in sich verkrochen, musste aber offen bleiben. Musste sich benehmen, als gehöre er dazu, als sei er fähig, die krampfhafte Verteidigung seiner körperlichen Integrität jederzeit aufzugeben. Andernfalls hätten sie ihn hier nicht geduldet. Unterdessen sickerte sein Sperma doch still und leise heraus. Seine Erektion bezog sich nicht auf eine bestimmte Person, sondern auf den nächsten plötzlich auftauchenden Jemand, der hier von allen vergöttert und angebetet wurde. Der Jemand, den auch er suchte, aber nicht fand. Das war ja gerade der Haken, dass er das genau verstand, und die Sache wäre nur dann gut gewesen, nur dann hätte er sein Wissen vervollständigen können, wenn er sich aufgab, aber ohne zu verstehen, dass hier niemand ein reales Wesen suchte, sondern jeder seinen eigenen Phantasien nachjagte.
Seine Sehnsucht galt allen, oder fast allen, aber sobald sich ihm einer zu nähern begann, dann nicht mehr, keinem mehr.
Dann ergriff er die Flucht.
Er lief vor den aufdringlichen Jemanden davon, denn die bedeuteten, dass er Farbe bekennen musste, seine Sohlen knallten auf der hartgetretenen Erde, er rannte vor den Jemanden davon, wie ein wildes Tier, seinen geschärften Sinnen vertrauend, blind getragen von seinen Beinen. Mit scharfen Armen umklammerten Pflanzen seinen Körper, schlugen in sein schutzloses Gesicht, es knackte und krachte, er wurde abgetrieben, er brach durch. Mit Ranken und Fühlern wollten sie ihn umarmen, ihn zurückziehen, strafen, weil er sich der Realität nicht gestellt hatte, nicht einmal aus Notwendigkeit, für einen kurzen Augenblick der Befriedigung.
Er fand ihre Wildheit, ihre
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