Parallelgeschichten
nicht viel.
Sie ist fähig, den Raum zu füllen.
Leidenschaft ist eher gefährlich, leider, leider wird sie davon gepackt, und gerade da sieht man, dass sie keinen Hintergrund hat, keine Tiefe. Und dann ist sie auch allmählich zu alt, und dabei faul und ungebildet.
Faul.
Elisa in ihrem Sessel wimmerte, was aber bedeutete, dass sie um Vergebung flehte.
Mária sollte ihr nicht ansehen, wie empört sie war.
Bella hingegen, in ihrer unauffälligen, unbeteiligten Art, machte sich mit dem Glas in Richtung Tür auf.
Warte, rief ihr Mária nach, besser, ich gehe.
Nein, nein, Médilein, das ist eine verdrängte, verdeckte, im Zaum gehaltene Leidenschaft. Entschuldige schon, aber damit kenne ich mich besser aus. Eher ist es so, dass sie stark blockiert ist, das müsste man zuerst auflösen.
Sie redete, als hätte sie insgeheim doch Angst um Gyöngyvér, als wollte sie sie für sich erhalten.
Das konnte Margit Hubers Aufmerksamkeit schon deshalb nicht entgehen, weil sie um Gyöngyvér vielleicht noch leidenschaftlicher Angst hatte und ihre eigene Niederlage fürchtete, was hingegen Frau Szemző klar durchschaute; Médi macht Gyöngyvér schlecht, damit ich das Mädchen in Schutz nehme.
Blockiert, sagst du, na schön, aber was soll ich damit anfangen. Das sind psychologische Gemeinplätze. Ich müsste wissen, was zum Teufel sie blockiert. Ich kann nicht sagen, es sei die niedrige Herkunft, denn es gibt solche, die das überwinden. Und solche, die das nicht können, es ist keine Frage des Talents. Sie hat nicht mehr viel Zeit, sie ist es, die sich keine fünf Jahre Vorbereitung mehr leisten kann, nicht ich.
Wieder fühlten alle, dass ständig etwas anderes geschah als das, wovon sie redeten, und dass es die Grenzen ihrer Normen gefährlich überstieg.
Das ganze mehr oder weniger gesittete Benehmen nützte nichts, da ja nicht nur offensichtlich war, was sie mit diesem Benehmen verdeckten, sondern auch spürbar wurde, dass sie sich gegenseitig durchschauten.
Sie hatten die Deckung verlassen.
Dobrovan wartete doch lieber, und auch Mária Szapáry ging nicht hinaus. Diese Verzögerung rührte daher, dass sie gleichzeitig auf vieles achten mussten, und auch daher, dass sie nichts verpassen, nichts auslassen wollten, kein einziges Wort. Margit Hubers Gefühlstaktik war klar. Die wollte doch gar nicht, dass Frau Szemző diese unbekannte Gyöngyvér hinauswarf, nein, die wollte sie vielmehr so weit bringen, das Mädchen zu behandeln.
Was Frau Szemző mit niemanden mehr tat, um nichts in der Welt. Nachdem sie ihre Praxis hatte aufgeben müssen, war sie Arztsekretärin in einer Bezirkspraxis geworden.
Zehn Jahre lang, bis sie in Pension ging, hatte sie beharrlich Wert darauf gelegt, dass sie Arztsekretärin sei und sonst nichts anderes.
Jetzt aber geriet sie ins Wanken.
Mária Szapáry hatte das Gefühl, dass man über das alles am besten schwieg, dass das alles gefährlich war, dass sie aber die anderen nicht am Weiterreden hindern konnte. Und sie hätte sich von ihnen auch nicht losreißen können. Aber sie wollte auch nicht dreinreden und das Ganze noch mehr verheddern, sie hätte auch nicht sagen können, was es eigentlich zu klären gab, und wie sie das anstellen sollten. Und die beiden da redeten nicht nur, sondern bekamen auch mit, wie Bella der aus ihrer Rolle gefallenen Mária half, und auf welche Art das alles mit Elisas vielen kleinen Wimmerlauten zusammenhing.
Mária ertrug die schlecht, sie wäre doch gescheiter hinausgegangen. Als fahre ein Rechen über ihr Nervensystem.
Sie alle lebten sonst auf eine andere, weniger emotionale Art, aber es gab Augenblicke, in denen sich die Luft füllte, bis zur Sättigung.
Sie waren ineinander verknäult.
Eine von ihnen unabhängige Kraft hatte sie zum Zusammensein verurteilt, sie mussten auseinander ausbrechen.
Die Frage war jetzt, wer an diesem Abend damit beginnen würde, wen der Ausbruch am wenigsten kostete.
Der warme Abend hatte natürlich kühlere Kanten, Strömungen, Lüfte, kurze Schübe vom Fluss her, der sich schwer und dunkel dahinwälzte, und der Körper nahm all das unbewusst auf. Die Gefühle und Düfte des Frühsommers färbten die Empfindungen ein, keilten sich unbemerkt zwischen sie, veränderten zuweilen Ausmaß und Richtung der Emotionen. In diesen Tagen begann auf der Insel die Goldregenblüte, vor den Ruinen des Dominikanerklosters, wo es nach menschlichen Ausscheidungen stank und im Dunkeln Zigarettenglut aufleuchtete und erlosch.
Im Licht
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