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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Stummel mit der dünnen Sohle seiner Sandale in den schwarzen Schotter.
    Er wollte sich nicht verfrüht zu erkennen geben. Das heißt, dem Kristóf wollte er sich überhaupt nicht zu erkennen geben.
    Oder erst im richtigen Augenblick, wenn man daraus Gewinn ziehen konnte. Irgendwie reifte in ihm der Entschluss, den Jungen einzuspannen. Bei der Firma wären sie echt dankbar für den großen Fang. Die würden sich schön die Hände reiben. Der macht noch in die Hose, spricht aber schon mehrere Sprachen, und kein Buch oder Lexikon, das er nicht gelesen hat.
    Seine Rivalen unter den Bäumen hatten das Fallen des glühenden Stummels natürlich gesehen. Wer hier verkehrte, kannte vom Sehen die anderen fast alle. Frisches Fleisch war selten.
    Wie steht’s mit dem Nachschub heute, fragte jeden Abend, wer neu eintraf.
    Und auch wenn man sich nicht direkt kannte, wusste man doch, warum der andere das und jenes so und nicht anders tat. Die Fähigkeiten des kurzbehosten jungen Mannes wurden auch in den anderen wichtigen Jagdgründen der Stadt, im Volkspark, im Stadtwäldchen, im Kiskulacs oder in den unterirdischen Aborten, in den Dampfbädern, auf dem Vérmező oder im Espresso Városkapu durchaus gewürdigt. Wo er auftauchte, verbreitete er Furcht und Schrecken, teuflisch und unbarmherzig schlug er die Rivalen aus dem Feld.
    Die mit der Zigarette unter den Bäumen verstanden gar nicht, warum der Pisti nicht zugriff.
    Vielleicht überließ er ihnen das Engelchen mit dem Schnuckelpimmel doch.
    Er wusste schon, dass die vier seine Reglosigkeit auf diese Art auslegten, aber es fiel ihm gar nicht ein, aus dem Schatten des Clubhauses zu treten.
    Sollen sie ihn halt haben und sich mit ihm abmühen.
    Eher wartete er darauf, dass sich Kristóf endlich in Bewegung setzte, in irgendeine Richtung, mit irgendjemandem, damit er ihm heimlich nachschleichen konnte. Dem würde er auf den Fersen bleiben. Mit keiner Faser begehrte er ihn mehr, obwohl er in den vergangenen vier Jahren so oft an ihn gedacht hatte, an seine Lippen und seine hilflose Nacktheit, seinen prallen kleinen Arsch, und es war ein süßes Gefühl gewesen, sich mit solchen Bildern in den Schlaf zu reiben. Jetzt aber hatten das Objekt des Rituals und die reale Person nichts mehr miteinander gemein.
    In der warmen Frühsommernacht war er ihm gegenüber völlig abgekühlt, denn plötzlich wusste er, dass er ihn heimlich geliebt hatte und noch immer liebte. Vor ihnen lag ein Leben, das er gern mit ihm verbracht hätte.
    Benutzen würde er ihn.
    Abwarten, bis es ihm jemand ordentlich besorgte, und ihn erst dann anreden.
    Wenn er befreit und schamgepeitscht zu seinem lieben Tantchen nach Hause rennt.
    Am besten ihn auf der leeren Brücke anreden. Ihn entlarven, ihn vernichten. Sogar deine schönen schwarzen Schuhe sind voller Scheiße, mein Süßer, nur so viel würde er zu ihm sagen. Ich erlaube mir, deine geschätzte Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Vor Warten und im erregenden Vorgefühl des Verrats bekamen seine schönen nackten Schenkel Gänsehaut. Mit einer so kostbaren Beute hatte er zu so später Stunde nicht gerechnet. Er frohlockte über den Glücksfall, als riebe er sich voller Vorfreude die Hände. Gleich jetzt wollte er sich an ihm rächen, und das mit Grund.
    Er hasste ihn aus tiefster Seele, genauso wie sich selbst, den anderen so ausgeliefert zu sehen machte ihn glücklich.
    Jetzt hab ich dich in der Hand, du kleiner Stinkjude.
    Nichts ahnend überließ sich Kristóf der tödlichen Stille, während er mit seinem vielfachen Ich rang.
    Jener andere in ihm sagte nicht, er solle zum Wasser hinuntersteigen, wo auf den grau dämmernden Stufen der Tang schwappte.
    Aber er sagte auch nicht, er solle nicht hinuntersteigen.
    Ins Wasser springt man besser von der Brücke. Er sagte auch nicht, er solle sich von der Brücke stürzen, obwohl er dort eine Stelle ausgemacht hatte, die für den Sprung in die Tiefe günstig war. Im Fallen nicht gegen den Pfeiler prallen, nicht auf diese Art enden. Das Wasser sollte ihn mitnehmen, so wie es die Toten und Verwundeten mitgenommen hatte, die am anderen Ufer von den Pfeilkreuzlern erschossen worden waren. Spurlos verschwinden.
    Das mochte eine dritte Person in ihm sein, die so dachte, das bin nicht mehr ich, diese Person bezeigte ihm keine Anteilnahme, während sie ihre Gefühle allen Übrigen dauernd stumm signalisierte.
    Jedenfalls spürte er schon seit einiger Zeit, dass da im Dunkeln jemand war, der mit ihm etwas vorhatte.
    Er

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