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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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retten, tat ich so, als ekelte ich mich davor, und so empfand ich tatsächlich Ekel. Aber mit meinem ins Dunkel gespannten Blick hieß ich es gut. Sie küssten sich das Sperma in den Mund.
    Ich wurde halb ohnmächtig, aber ich hieß es gut.
    Oder diese nackten Stammeskrieger mit ihrer an die Hüfte oder ans Bein geschnallten Kleidung, mitten im dunkelsten Dickicht, wie sie ihren leuchtenden Schwanz hochreckten, ihren sternförmig gerunzelten Darmausgang darboten, ohne ein Gefühl von Erniedrigung oder Demütigung oder Versklavtsein in die Knie gingen und sich auf allen vieren lange stoßen ließen, ja, sachverständig mit der freien Hand nach hinten griffen, den anderen am Schenkel, am haarigen Arsch packend, damit er nicht hinausrutschte, und unterschwellig dagegen stießen, um ihm zu helfen, bis der andere, von dem sie nicht einmal den Namen kannten, sein Gebrüll zurückhaltend hastig und heftig in ihnen kam.
    Es gab solche, die ihn herauszogen, bevor sie kamen, die sehen wollten, wie es aufsprudelte oder ins Dunkel spritzte, ins Unsichtbare, ins Nichts.
    Mag sein, dass es auf der Welt Leute gibt, denen es nichts ausmacht, in fremde Scheiße und fremde Ärsche hineinzuficken, weil es für sie nicht mehr ist als ein Blinzeln, über das niemand Rechenschaft fordert, das niemand moralisch qualifiziert, aber es geht doch nicht, dass mein Leben aus so etwas besteht.
    Aus solchen Scheußlichkeiten.
    Na schön, das hätte ich gesehen, auch wenn ich gar nicht weiß wozu, aber jetzt ist Schluss, ich hab’s gesehen, ich gehe. Allerdings war ich am nächsten Tag wieder da. Und blieb wieder bis zum Morgengrauen.
    Aber nicht nur das, sondern auch mein nach Brüderlichkeit verlangendes gefühlvolles Ich wollte es, das war ja genau mein Problem, dass ich diese verflochtenen Iche nicht voneinander trennen konnte. Aufgrund meiner Gegebenheiten war ich in eine Welt geraten, in der ein Ja unter Umständen ein Nein bedeuten konnte, ein Nein auch ein Ja. Obwohl ich mir einfach nicht vorstellen konnte, oder es von mir nicht akzeptieren wollte, dass ich mit diesen widerwärtigen Gestalten oder mit dem Ganzen da irgendetwas zu tun haben könnte. Ich sehnte mich nach der Zeit zurück, als ich von so etwas nicht einmal eine Ahnung gehabt hatte. Bestimmt gibt es glücklichere Menschen, die ein Leben lang nichts davon wissen. Wenn es aber doch so wäre, und ich wäre bloß zu feig, mir einzugestehen, dass auch ich so bin, mitsamt meiner Suche nach der wahren Welt hinter dem Schein, und dass ich sie jetzt gefunden habe, jetzt wirklich sehe, dass jedes andere Leben nur der verlogene Schein dieser ungeschlachten Realität ist, dann bleibt tatsächlich nur noch die Brücke.
    Aber wenn ich nun einmal das möchte, irgendeinen Schwanz zum Anfassen, wozu sollte ich mich dann umbringen, fragte ich mich, vor Lustbedürfnis und Selbsthass fast röchelnd.
    Wie gern hätte ich mich mit demselben Atemzug unendlich lächerlich gefunden.
    Lächerlich und nichtswürdig und sogar bereit, noch tiefer zu sinken.
    Es gab keinen Ausweg aus diesen quälenden Zweifeln. Ich kannte auch niemanden, dem ich mich hätte anvertrauen können. Sogar in den Mund würde ich ihn nehmen, stumm, irgendeinen, um ein einziges Mal, wenn das heiße Sperma aus den Tiefen seines Körpers heraufschießt, zu spüren, wie es ist, der andere Mann zu sein. Das durchzudenken hatte ich nicht genügend Phantasie. Ich sagte mir zwar, warum auch nicht. Ich wollte nicht sein, wie ich mit meinen Gegebenheiten war.
    Höchstens Gott würde es sehen, falls es ihn gibt, und falls er sieht. Aber das Nein war stärker.
    Ein solches Leben, ob ich es nun ablehne oder gutheiße und führe, werde ich auf die Länge nicht durchhalten können.
    Bis dorthin musste ich gelangen.
    Aus dem Dunkel hinaus auf die beleuchtete Brücke. Wasserkälte soll mich schlucken, sollen sie mich gar nie finden, wenn meine Geburt schon so danebengeraten ist. Ich verfluchte meine Mutter, an die ich mich fast nicht erinnern konnte und die mich wegen einer großen, knochigen, aschblonden Französin verlassen hatte, und ich verfluchte meinen Vater, der ihr das nicht rechtzeitig angemerkt, sie nicht gehindert hatte, sondern blöd genug gewesen war, mit einer solchen Frau ficken zu wollen, und den man eines Sommers in der Morgenfrühe abgeführt hatte, um ihn unter unbekannten Umständen, aus unerfindlichen Gründen, vielleicht aus einem Irrtum, umzubringen, so dass ihn mein Fluch nicht einmal richtig treffen konnte. Ich selbst war

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