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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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hätte er das Geständnis gar nicht wahrgenommen, es war wie ein riesiger Motor, es kam immer näher.
    Woher soll ich wissen, was du träumst. Ich weiß ja nicht einmal, wer ich bin, und wo ich bin.
    Nein, an dieses Brummen erinnere ich mich genau, er beharrte darauf, und unterdessen beobachtete er ihre Züge, ob da etwas Verdächtiges war. Ihre Verzückung sah er, und er sah das Entsetzen, das wie eine dunkle Wolke darüberzog. Außerdem müsste ich, entschuldige, wenn ich dich damit behellige, seit Stunden pissen. Ich weiß gar nicht, wie lange schon.
    Geh, ich habe auch ganz kalte Füße.
    Aber wo ist hier die Tür.
    Und dann ist mir auch ein wenig schlecht, ich habe Brechreiz. Vielleicht bin ich schwanger. Wirklich, es fühlt sich so an. Kaum hatte sie es ausgesprochen, erinnerte sie sich an die vorsichtig leidenschaftliche Feststellung des Mannes, dass ihre Stellung die günstigste wäre, um ein Kind zu machen, aber sie begriff auch, dass sie eine Gelegenheit endgültig verpasst hatte, denn sie hatte den Wunsch nicht ausgesprochen, während sie jetzt seine Toleranzgrenze bei weitem überschritt und also wieder alles falsch machte.
    Ich habe dich aufgeschreckt, sagte der Mann leise lachend, entschuldige.
    Schon wieder vermassle ich es, dachte die Frau.
    Es wird einem schlecht, wenn man so plötzlich aufgeschreckt wird, fuhr er fort, als wüsste er durchaus, woran sich die Frau erinnerte, obwohl diese alten Sätze jetzt, wo sie beide gründlich befriedigt waren, keine Gültigkeit mehr hatten. Doch da durchzuckte ihn die Angst. Denn Gültigkeit mochten sie keine haben, Konsequenzen hingegen schon, Frauen spüren das ja manchmal bereits nach wenigen Stunden. Trotz seiner guten Vorsätze hatte er nicht aufgepasst. Was heißt nicht aufgepasst, jeden Tropfen Sperma hatte er von sich gegeben. Wirklich eine Schweinerei, jemanden aufzuschrecken, sagte er laut, und war bedrückt genug, die laute Reue ziemlich glaubhaft klingen zu lassen. Auch mich hat ein Brüllen oder so was hochgeschreckt. Und vorher war da ein Brummen, wie ein starker Motor, es kam näher, ich erinnere mich auch an Scheinwerfer.
    Tatsächlich erinnerte er sich an die Scheinwerfer seines eigenen Wagens, wie sie über das zwischen südlichen Büschen und Bäumen versteckte Gartentor einer Villa strichen, aber er durfte es der Frau nicht sagen, denn in jener Villa hatte er jemanden ermorden lassen, der obendrein sein Kindheitsfreund gewesen war.
    Um das zu vergessen, hätte er dauerhaft starke Reize gebraucht. Aber seit man ihn wegen dieses Mords nach Hause beordert hatte, empfand er seine Umgebung als unerträglich reizarm, ja, die unangenehme Erinnerung überkam ihn immer gerade, wenn er endlich einen kleinen Reiz gefunden hatte, um sie auszublenden. Mord war offenbar eine stärkere Lust als das Liebemachen.
    Du hast mich nicht geweckt, überhaupt nicht, widersprach die Frau aus ihrem eigenen schlechten Gewissen heraus, es war wahrscheinlich der Durst. Wirklich. Bestimmt habe ich vom vielen Wasser geträumt, weil ich fast verdurste und weil ich ganz kalte Füße habe. Da unter Wasser ist’s total still.
    Lass mich endlich los, sagte er.
    Ich halte dich doch gar nicht fest, sagte sie erstaunt.
    Ihre Oberkörper berührten sich kaum, sie bogen sich eher voneinander weg, nicht mit den Händen, sondern mit ihren Oberschenkeln hielten sie sich.
    Das war seltsam, in diesem vom Widerschein der Stadt durchzogenen Dunkel, während sie auf die unsicheren Umrisse des anderen Gesichts starrten, auf die um Schatten verlängerten Züge.
    Als würden sie sich mit Verspätung ihrer körperlichen Existenz bewusst. Oder als ließen sich Körpergefühl, Sprache und Anblick nicht zur Übereinstimmung bringen. Jetzt wurden sie gewahr, dass sie quer auf dem Bett lagen, es fehlte nicht viel, und ihre ineinander verhakten fühllos gewordenen Unterleiber hätten sie vom Bett gezogen. Das eine Bein des Manns erreichte den Boden, es stützte so ihr Gewicht, trug es gewissermaßen auf der angespannten Ferse. Sie mussten das Gleichgewicht zwischen dem Körper des anderen und dem Bettrand im Traum gefunden haben. Wie das zugegangen war, begriffen sie nicht. Die Frau hielt sich mit einer Hand am lackierten Bettgestell fest.
    Ihre kühle Haut glänzte im Luftzug fettig, an ihrer Stirn, auf ihrer Nase, am Rand der Ohren, in dieser ganzen erschreckend nahen Landschaft war die Erregung abgekühlt.
    Offenbar waren sie inmitten einer im Halbschlaf vollzogenen unwillkürlichen Bewegung,

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