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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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sie schluckten die anderen Gerüche und erschreckten den Geruchssinn.
    Sein zurückgelassenes Ich hatte Mühe mit Schlucken, es zitterte leise am ganzen Körper, vor allem an den Knien, seine Seele wurde geschüttelt.
    Er empfand seine physische Angst als lustvoll.
    Jetzt hörte er das leise Geräusch seiner eigenen Schritte und begriff, dass sein ganzes Wesen wieder zu einer weichen Katzenpfote geworden war; auf der huschte er in sein Verhängnis. Zwar signalisierte jemand in der leeren Hülle seiner Person empört Gefahr, flüsterte, das darfst du nicht, das darfst du nicht machen. Als wäre da jemand, dem man noch hätte zureden können.
    Niemand stand an der abgekühlten Stelle seines körperlichen Wesens und ließ sich von etwas überzeugen.
    Er trat vor, um es zum ersten Mal in seinem Leben zu tun, egal wie, egal mit wem.
    Wenn ich aber nicht ich bin, der den anderen ermahnt, um ihn von dem riskanten Abenteuer zurückzuhalten, und ich auch nicht der bin, der seinen ersten weichen Schritt getan hat, wovor müsste dann dieser Fremde noch Angst haben.
    Die Angst vor der Lust hat zwar schon ihre guten Gründe, sie liefert einen ja der Lust des anderen aus, lässt beider Iche ungeschützt, vertraut sie einander an, wenn es hingegen kein Ich gibt, braucht es auch vor nichts gewarnt, von nichts zurückgehalten zu werden.
    Lust ist wahrscheinlich ein Beiname Gottes.
    Das Ich hingegen ist nicht mehr als ein Bündel von Eigenschaften, und das reichhaltige Angebot ist nach Wunsch und Bedarf verwendbar. Dann aber hat es nichts gemein mit dem sinnlosen Kampf, mit dem der dumme Kleinbürger, eingezwängt zwischen Verbote und Pflichten, bestrebt ist, seine Existenz abzusichern und aus der archaischen Realität seines Körpers ein bisschen Beständigkeit, Dauer und Sicherheit herauszuwürgen.
    Eine solche falsche Sicherheit brauche ich nicht, ich habe keine Verwendung für sie.
    Als ob er sich damit sagen wollte, er habe für die groben, ungehobelten Proletariermädchen, die lispelnden, auf Bleistiftabsätzen tippelnden höheren Töchter, um die er pflichtschuldig scharwenzelte, keine Verwendung. Noch weniger für die neunmalklugen Studentinnen, obwohl die alles erlaubten und höllisch neugierig auch fast alles mitmachten.
    Nicht einmal für die.
    Und ich wusste noch gar nicht, was ganz unten in dem seltsamen dunklen Schweigen auf mich wartete.
    In einer mitten in der Bewegung erstarrten Haltung standen Männer eng nebeneinander.
    Aufgestellt in Reih und Glied wie düstere römische Krieger.
    Man sah eigentlich nur ihre Schultern, die helleren Flecken ihrer Rücken, höchstens ansatzweise den Bogen der Hälse.
    Ordine stat.
    Das tiefe Dunkel der geteerten Pissoirwand verschluckte ihre Gestalten fast vollständig.
    Er gehört zu ihnen.
    Sie drehten sich alle um, die Köpfe wie von Schnüren gezogen, ihm zu, sie wollten sehen, wer da kam und ob er wirklich zu ihnen gehörte. Vielleicht war es ja eher angebracht, stumm und reglos zu warten, bis dieser Jemand wegging. Aber von der geteerten Wand entfernten sie sich trotzdem nicht, sie hätten ihre unter Mühen errungene vorteilhafte Position um nichts in der Welt aufgegeben. Der Neuankömmling musste seine Zugehörigkeit zuerst beweisen. Er musste sich zu ihnen stellen. Von ihren Gesten und Absichten ließ sich in der Dunkelheit etwas erahnen, von ihren Körpern und Gesichtern hingegen nur wenig.
    Höchstens ihr Profil oder ihr Schädel bekam vom Gegenlicht da oben etwas ab.
    Es war nicht so, dass es für diese ernsten und zu allem entschlossenen Männer keine Grenzen gab, dass ihre Hemmungen nicht funktioniert hätten. Im Gegenteil, angesichts des Neuankömmlings waren sie geradezu erstarrt.
    Obwohl sie auf ihn gewartet zu haben schienen wie sonst auf keinen, wie auf den Messias.
    Ihre hungrige Aufmerksamkeit und ihre lebhafte Phantasie trafen sogleich auf dem Körper des Neuankömmlings zusammen. Sie warteten darauf, aus ihrer Verlegenheit befreit zu werden und in ihrer gemeinsamen Stummheit die erste Bewegung machen zu dürfen. Wenn in einem solchen Moment jemand laut in dieses gemeinsame Schweigen hineinpisste, war ziemlich klar, dass er mit seinem ungeschlachten Plätschern nicht zu ihnen gehörte. Dann taten auch sie, als wären sie gerade fertig geworden, als schüttelten sie, um die Unterhose zu schonen, eilig die letzten Tropfen vom Schwanz.
    Gerade dem Eingang gegenüber gab es in der sonst geschlossenen, langen Reihe eine Lücke.
    Er hätte sich hineinstellen können,

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