Parallelgeschichten
Bellardi auf Deutsch. Die mit Leder waren interessanter, er sah, wie Bellardi den Wein in den Kübel zurückstellte. Er ziehe die grobgeschnittenen schwarzen Oliven vor, sagte er.
Einen winzigen Vorteil, eine winzige Genugtuung braucht er immer. Einen Schluck mehr trinken als der andere.
Das ist auf ewig das Mittelmeer, die Adria, diese vollschmeckenden, schweren schwarzen Oliven.
Auf ewig, wiederholte der Architekt lachend, den das pathetische Wort doch aufhorchen ließ.
Lach mich nur aus, teurer Freund, auf ewig, jawohl, ich meine das ernst, sagte Bellardi, seine Stimme zitterte. Er hatte den Ausdruck absichtlich verwendet, um Madzars Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Um mit ihm über das echte Gefühl zu lachen, mit dem er an ihm hing und das er auf diese Weise doch ein wenig zeigte.
Weißt du denn, wie eine gelbe Nacht auf Zypern ist, fragte er plötzlich ganz still.
Ich war noch nie auf Zypern.
Du wüsstest es auch nicht, wenn du schon dort gewesen wärst.
Dann erzähl bitte.
Du lebst in einer anderen Welt, einer ganz anderen.
Vielleicht bin ich gerade deswegen neugierig.
Man ist nach Hause unterwegs, nicht allein, um ehrlich zu sein, zu einer Liebesstunde. Was heißt nach Hause, man hat irgendwo ein Zimmer. Wieder einmal in einem verlausten Hotel, wo alles stinkt und klebrig ist. Aber wenigstens am Himmel sind die Sterne gelb. So groß wie eine Faust. Man selber ist ein verlauster kleiner Seemann, was du, Lojzi, mein Lieber, mit deinen großen Idealen nie verstehen wirst. Ein Ungar, der nicht einmal ein Meer hat, weil man dem mickrigen kleinen Ungarn sein letztes mickriges Stück Meer weggenommen hat.
Man ist ein Niemand. Eine halbe Stunde für die Liebe, die Arme, die dich umfassen, riechen nach gebratenem Fisch.
Unterdessen starrte er auf Madzars Faust, die auf dem Tisch lag. Er schaute, als wäre sein Blick dort klebengeblieben.
Und die Zikaden kreischen dir ins Ohr, du hörst deine eigene Stimme nicht. So irgendwie ist das, mein Freund.
Als wartete er darauf, dass der andere seine große Faust hob und ihn niederschlug.
Madzar sah, wie sich auf dem fröhlichen Gesicht die Lachfalten füllten, weil er es doch nicht erzählen konnte.
Als würden sie auf Bellardis Gesicht in die leere Nacht hineinfahren, und er könne es wirklich nicht verstehen. Auf der Oberfläche seines Gesichts werden eins ums andere seine unbekannten Gesichter erscheinen, Madzar würde kaum folgen können. So viel steht fest, dachte er zufrieden, als wäre es tatsächlich eine Entdeckung. Er sah auch, was Bellardi von seiner Faust erwartete. Seine Züge veränderten sich so rasch, dass man sie im Einzelnen nicht mehr bestimmen konnte. Madzar hatte keine Zeit mehr abzuwägen, was er akzeptieren konnte, was nicht, was gut war, oder was er besser zurückwies.
Das Wesen des anderen Menschen strömte ungehemmt.
Ich habe nicht gewusst, dass die Sterne für dich so wichtig sind.
Jetzt weißt du es eben, sagte Bellardi fast feindselig und hob den Wein aus dem Kübel.
Wie es sich geziemt, schenkte er diesmal zuerst Madzar ein.
Was wäre für einen Seemann wichtiger als die Sterne.
Von jetzt an konnte er alles sagen, er hatte ja seinen Vorsprung um einen Schluck. Er lachte bitter auf, als könne er nunmehr auch sein Selbstmitleid gegen den anderen ausspielen. Aber was heißt schon Seemann. Dir kann ich ja ruhig sagen, dass aus mir ein gewöhnlicher
maître d’hôtel
in einer miesen Bude geworden ist.
Mir scheint, dich hat der Wein ganz schön erwischt. Oder die Melancholie.
Wir Ungarn sind verloren, lieber Lojzi, auch wenn du es nicht wahrhaben willst. Du, mein Schatz, denkst noch, du hättest etwas, das du nach Amerika mitnehmen und womit du dich in die Zukunft hinüberretten kannst. Es ist mir scheißegal, ob du gehst oder bleibst, Lojzi, Lieber, glaub ja nicht, ich sei neidisch. Du wirst schön packen, und erst wenn du dort deinen Koffer aufmachst, wirst du sehen, dass er leer ist. Wir sind leer, Lojzi, mein Bester, ausgeblutet, von hier nimmst du nichts mit, nur Leere.
Wie kannst du nur solchen Unsinn reden.
Das wollte ich dir auch mit diesen blöden gelben Sternen sagen.
Ich werde dir einen Vormund bestellen.
Auch die Sterne sind mir scheißegal. Und auch dein Stern ist mir scheißegal. Nimm es als ein Geständnis unter Männern, wobei ich auch aufs Geständnis scheiße.
Ich verstehe nicht, was das soll, Weltschmerz etwa.
Sie sprachen mit immer tieferer Stimme, immer leiser, die eine tiefe Stimme zwang die andere
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