Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
Vom Netzwerk:
und treppab geschleppt hatte. Alles schien dagegenzusprechen, dass er Kellner würde, trotzdem hatte man ihn das lernen lassen, und so verbrachte er sein Leben mit derselben Methode der zwanghaften Verstellung wie Bellardi und die übrigen Herren, denen er zu Diensten stehen musste. Während er mit einer tiefen Verbeugung nachschenkte, erläuterte er, mit der freien Hand und der Serviette fuchtelnd, die Zubereitung des rohen Fischrogensalats.
    Dazu verwendet man den Rogen magerer Donaufische, nicht von Raubfischen, bloß nicht, die sind schwerer, wie der gnädige Herr Architekt bestimmt zu wissen belieben. Die haben oft einen unangenehmen Sumpfgeruch, während der Rogen pflanzenfressender Fische nur ein leichtes Aroma hat,
sans mauvaise odeur.
    An seinem Hals und Gesicht schaukelten und schlappten die früher mit Fett gefüllten, jetzt ausgedörrten Hautfalten. Er sagte seinen Spruch mit einem gelangweilten Näseln her, und es war nicht ganz sicher, ob er mit seinem Akzent nicht den Ton mehr oder weniger belämmerter Wiener Aristokraten parodierte, was eine unerhörte Frechheit gewesen wäre. Jedenfalls tat er, als möchte er dem gnädigen und dem erlauchten Herrn keinerlei Entscheidung aufdrängen, aber auch nicht verbergen, dass ihn die Sache langweilte.
    Unser Koch, das muss der gnädige Herr Architekt unbedingt wissen, ist in so heiklen Fragen unfehlbar. Er nimmt Fischmilch dazu, der gnädige Herr belieben bestimmt zu wissen, was ich meine, nicht viel, ungefähr ein Fünftel vom Gewicht des Rogens, angeblich ist das gut für die Manneskraft. Darüber kommt reichlich Zitronensaft, ein wenig geriebene Zitronenschale, dann lässt man es ein Stündchen auf dem Eis stehen, während das Bittere der Zitronenschale das Bittere des Rogens bis zu einem gewissen Grad aufhebt, was in Ordnung ist, Bitteres legt sich zuweilen über Bitteres, das muss man im Leben nun doch wissen, dann kommt reichlich grobgemahlener Pfeffer darüber, feingeschnittene rote Zwiebel, etwas Salz, nicht viel, das ist wichtig, und dann lässt man ganz langsam Olivenöl darübertröpfeln und rührt so lange, bis der Rogen das Öl ganz aufgesogen hat. Er muss sich zu einer weißen Sülze verfestigen. Ich darf es empfehlen. Wir servieren es mit getoastetem Kümmelbrot.
    Bravo, Josef, rief der Kapitän, gut gemacht. Ich glaube, es bleibt dir nichts anderes übrig, als das zu nehmen. Den Wein hätte ich ja schon dazu ausgewählt, wie vorausblickend von mir, sagte er lachend. Ich gebe natürlich zu, dass ich dich damit in die Falle gelockt habe.
    Er wieherte richtig.
    Madzar war in diesem Augenblick nicht ganz anwesend, Details fesselten seine Aufmerksamkeit, den Inhalt der Rede ließ er an seinem Ohr vorüberziehen. Er beobachtete Bellardis zwei schrägstehenden starken Schneidezähne, die aus dem Gelächter herausglänzten, und er konnte sich gut vorstellen, wie er sie animalisch in fremde Lippen schlug. Das Gesicht selbst ist die Falle. Eine leere Fläche, auf der die Eigenschaften beliebig geordnet werden können, und so wirkt jeder Augenblick mit der Kraft des Neuen. Auch der fast gelbe Wein hatte eine unbekannte Persönlichkeit, Vielschichtigkeit. Trotz seiner vollkommenen Trockenheit hinterließ er auf der Zunge einen süßen Nachgeschmack, während er mit seiner Würzigkeit die Mundhöhle weitete und umschrieb und so gewissermaßen den Genuss der in Aussicht stehenden Geschmäcker vorbereitete.
    Du wirst es nicht bereuen, sagte Bellardi lachend, womit er Madzar erschreckte. Im Übrigen ist keine Berufung möglich. Madzar verirrte sich zwischen den vielen Gesichtern des Kapitäns, oder der Wein war ihm sofort zu Kopf gestiegen. Der war so farbig, dass man seine Stärke nicht spürte.
    Kaum waren seine griechischen Pilze aufgetragen, strich sie der Kapitän mit ausgehungerten gierigen kleinen Bewegungen auf die heißen, getoasteten Semmelscheiben. Und während beide genussvoll zusahen, wie der andere aß, knusperten sie an ihren Broten und tranken, zwar in mäßigem Rhythmus, aber viel. Das Knuspern war laut, nicht gerade anständig, und um es nicht so stark zu hören, erläuterte Bellardi, dass feingeschnittene Zwiebel auf Olivenöl angebraten wird, dann kommen die in kleine Würfel geschnittenen Pilze darauf, meistens Champignons, wobei es im Herbst, er würde sehen, noch schmackhafter sei, da macht man es mit Steinpilzen.
    Was offensichtlich bedeutete, dass er auch im Herbst mit ihm fahren wollte, mit ihm knuspern und mit vollem Mund reden,

Weitere Kostenlose Bücher