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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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in die Tiefe.
    Wenn du es nicht verstehst, dann verstehst du es eben nicht.
    Und kein Wort mehr.
    Sie bestellten je verschiedene Suppen, um nicht gar so gleiche Gefühle zu haben. In derartig heiklen Angelegenheiten bedeutet ein Unterschied viel.
    Der Kapitän aß eine sogenannte bleiche Fischsuppe, die nur durch eine Julienne aus Karotten, Petersilienwurzel, Süßholz und Sellerieschnittchen ein bisschen Farbe erhielt.
    Grünlich blau bleich lag sie in der weißen Suppentasse vor ihm.
    Er denkt bestimmt nicht, dass ich mich beklage, dachte der Kapitän. Dafür ist so ein eingefleischter Schwabe viel zu berechnend und nüchtern.
    Madzar hatte eine Hühnercremesuppe bestellt.
    Das allerdings ist schon etwas deftiger, hatte der alte Kellner auf Deutsch gesagt und mit der Zunge geschnalzt. Unser berühmt-berüchtigter
potage royal.
    Die macht man so, falls es dich interessiert, sagte Bellardi, als sie schon beim Essen waren, von einem Gefühl der Genugtuung beschwingt, dass ein schön großes, gelb gemästetes Hühnchen mit verschiedenem Gemüse auf kleinem Feuer weich gekocht wird. Bei unserem Koch brodelt es schon vom Morgen an auf dem Herd, auf ganz kleinem Feuer. Wenn es weich ist, nimmt man es heraus, siebt die Flüssigkeit ab, das Fleisch muss sich richtig von den Knochen lösen und wird dann zusammen mit dem Gemüse püriert. Dann kommt es in die Suppe zurück, zusammen mit feingehackten Mandeln, reichlich Mandeln, wie du merkst.
    Er fühlte sich ruhig wie jemand, der sich an der Schulter des anderen gründlich ausgeweint hat.
    Aha, das sind Mandeln, tatsächlich.
    Und dann wird das Ganze in einer Butterschwitze noch ein bisschen aufgekocht.
    Jetzt brauchte er nur noch zu beobachten, wie der andere mit dem Schluchzen kämpfte.
    Diese schmucke Uniform anschauen, dieses gefurchte, starke Gesicht, die dichten, geraden Augenbrauen, auf der durchsichtig milchigen Haut die feine Spur der Sonne sehen, die scharfe lange Kante der entschiedenen Nase und die fortwährenden Verwandlungen im flackernden Kerzenlicht. Er begleitete seine Erklärungen mit feinen Fingern, es war offensichtlich, dass er die Manöver in der Küche wirklich kannte, er gestikulierte und erläuterte, in die Einzelheiten verloren, während er ein hochkommendes Weinen unterdrückte.
    Das sagst du aber nicht im Ernst, dass du kochen kannst.
    Warum sollte ich es leugnen, antwortete Bellardi lachend. Ich könnte mich jederzeit als Schiffskoch verdingen, auch wenn ich in den ersten Wochen die Mengen bestimmt falsch berechnen würde.
    Du brauchst es nicht zu leugnen, ich hätte es dir bloß nicht zugetraut.
    Du denkst, männlich, wie ich bin.
    Aber woher denn, wieso sollte ich das denken, erwiderte Madzar, obwohl er gerade das dachte, dass in diesem reifen Mann, der schon als Junge als sehr männlich gegolten hatte, punkto Weltkenntnis und Beschlagenheit allen voraus, eigentlich eine Frau steckte. Bellardi sah aus, als trage er sämtliche Herzoginnen Odescalchi in sich, und nicht nur wegen seiner ausgewogen verfeinerten Manieren. In seinen Zügen drang das Gesicht seiner Mutter durch, er hatte die milchweiße Haut und den Nasenrücken seiner älteren Schwester, und auch die männlichen Züge hatte er von seiner Tante geerbt. Diese war fast mittellos und unverheiratet geblieben. Das Schicksal hatte sie nach Mohács verschlagen, eigentlich nur provisorisch, doch dann brachte sie es nicht mehr fertig wegzuziehen. Zu ihr kehrte Bellardi jeden Sommer aus Triest zurück und reiste immer erst später zu seinen Eltern nach Buda weiter.
    In allen besseren Hotels sind die Köche Männer, sagte Madzar.
    Wenn es dich beruhigt, wenn du beruhigt werden möchtest, erwiderte der Kapitän lachend, dann kann ich dir sagen, dass ich mich am meisten auf Gerichte im Freien verstehe. Und das weißt du ja auch, dass das etwas seriös Männliches ist.
    Allein schon wegen des Feuers.
    Rindspörkölt, Lammpörkölt, das sind heikle Gerichte.
    Und Schlambutz, Schweinshaxen, Gulyás, Kutteln, Fischsuppe.
    Ach ja, die Fischsuppe, das verrat ich dir, die wäre meine Hauptattraktion.
    Bei der Cognac-Schnepfe, die auf der Speisekarte als
Bécasse flambée
figurierte, gingen sie zu einem anderen Wein über.
    Die Zeit war vorangerückt. Das Schiff sollte um halb elf in Mohács anlegen.
    Madzar hätte lieber nicht auf die Uhr geschaut, aber er hatte das Gefühl, es sei Zeit, Bellardi würde bald aufstehen, um Anweisungen für die Vorbereitungen der Ankunft zu geben. Damit wäre zwischen

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