Parallelgeschichten
hatte wagen können, ihn vor eine solche Wahl zu stellen. Wenn es wenigstens eine Ehrensache gewesen wäre, seine Frau frigid, und also. Keine Spur. Das hübsche Leutnäntchen war aus der Marine geschmissen worden, weil man ihn mit jemandem erwischt hatte, wie es dieser rotzige kleine Mayerjunge war.
Statt seine Frau gut und gründlich zu ficken.
Wenn man sie anschaut, würde man gar nicht meinen, dass sie sich gegenseitig am Schwanz saugen.
Eigentlich war Madzar durch und durch betrogen, doch die fällige Entscheidung konnte er nicht mehr hinausschieben, und seine Enttäuschung durfte er sich nicht eingestehen. Was sollte er tun. Ihnen für ihre blöde Verschwörung Geld geben oder doch besser keinen Kreuzer. Die Aufgabe annehmen oder zurückweisen. Er verstand selbst nicht warum, aber er hätte sich geschämt, deutlich nein zu sagen. Nicht nur wegen seines Namens, nicht nur wegen seiner Religion, die in dem multikonfessionellen Städtchen so viel bedeutete, dass er Ungar war, sondern weil er sich aus einem unerklärlichen Grund tatsächlich als Ungar fühlte.
Tiefer ungarisch als die, die ringsum ein großes Geschrei machten. Es ekelte ihn vor diesen strammen Ungarn, und er wusste im Voraus, dass er nein sagen würde, mit denen wollte er nichts zu tun haben.
Mit niemandem.
Nicht die Ungarn sind allein, sondern jeder einzelne Ungar ist allein, der Ungar hat mit niemandem etwas gemein, und Bellardi wäre der Letzte, mit dem er etwas zu tun haben wollte.
Leer und durstig, so sagte er zu sich selbst, wandert der enttäuschte Liebhaber unter dem von zu viel Schönheit erfüllten Himmel, während man allerlei trübe und in den Folgen unabsehbare Dinge von ihm verlangt. Er versuchte sich mit Sarkasmus herauszufordern.
Aber der Gedanke war unerträglich, dass unbekannte Menschen hinter seinem Rücken über ihn gesprochen, etwas über ihn beschlossen hatten und eine heimliche Welt besaßen, in deren tiefster Tiefe, unter den gemeinsamen Bestrebungen, die verdrängte Lust brodelte.
In den geschlossenen Höfen, hinter wuchtigen Toren, warfen sich von seinen Schritten erregte Hunde rasend gegen Holz und Absperrung; wo immer er vorüberging.
Als würden sich in dieser heißen, heimlichen Tiefe die verbotene Lust und die Verschwörung vereinigen, unbewusst, von den Bestrebungen zugedeckt. Die spritzen nicht bloß in den Mund ab, sondern dringen auch in den Arsch ein. Die unabweisbaren, wütenden Phantasien schienen zu sagen, und mich lässt man aus dieser Erfahrung aus.
Um das Toben der Hunde nicht zu hören, floh er auf die andere Straßenseite.
Eine Weile lief er unter blühenden Eschen weiter.
Von hier auf dem Damm sah er das Wasser.
Würd ich gar nicht wollen, dass sie mich da aufnehmen.
Und er sah die dunklen, unterirdischen Örtlichkeiten vor sich, wo sie sich mit glühenden Zangen folterten und wo man tatsächlich besser nicht mitmachte. Bisher war ihm nicht schwergefallen, Neugier und Eifersucht zu unterdrücken.
Jetzt aber überkamen ihn Schmerz und Entsetzen.
Das stumme Wasser lockte, sein Licht, seine Tiefe, sein Geruch.
Dieser Anziehung durfte er ohne weiteres nachgeben.
Die nebeneinander vertäuten Fischerboote glucksten vor sich hin.
Er ging am Ufer weiter, unter dem Damm, am Fuß der moosig grünen alten Betonmauer, wo in seiner Kindheit noch die nackten Sohlen der das Schlepptau ziehenden Treidler durch den schwarzen Sumpf gewatet waren. Diese fast zwei Kilometer lange alte Betonmauer, die zu den ersten bedeutenden Betonkonstruktionen Europas gehörte, verströmte trotz der plötzlichen Wärme den Eiseshauch des Winters. In Wassernähe war die Stille vollkommen. Und wenn sein Tag schon so verdorben war, wollte er wenigstens das Schwappen und Glucksen des Wassers hören statt die Hunde.
Den Geruch des Hochwassers einatmen.
Als am Vorabend die blass vibrierenden Lichter der Mohácser Kohlenverladestelle im dunstigen Dunkel erschienen waren, hatte sich der Kapitän nicht vom Tisch erhoben, um durch das Sprechrohr zum Heizer oder in den Maschinenraum hinunterzurufen. Die konnten das auch ohne ihn. Auf einem so großen, erprobten Schiff läuft alles von selber ab.
Im Gegenteil, er verschloss das Sprechrohr mit einer einzigen, raschen Bewegung. So entschieden wie jemand, der jeden Moment ausnutzen muss.
Und setzte sich wieder.
Lehnte sich mit seiner verlöschenden Zigarre gemütlich über den Tisch, um nicht laut sprechen zu müssen. Die knisternd flackernden Kerzen leuchteten ihm aus
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