Parallelgeschichten
unmittelbarer Nähe in die Augen. In den tiefen Furchen, Gräben, in den Kerben seiner strahlenförmigen Runzeln war keine Spur mehr von Heiterkeit.
So hatte Madzar sein Gesicht vielleicht noch nie gesehen.
Wie angedeutet, sagte er leise und sichtlich verlegen, habe ich die Absicht, dir eine vertrauliche Mitteilung zu machen. Ich rechne nicht mit deiner sofortigen Antwort. Wenn ich hingegen nicht mit deiner absoluten Diskretion rechnete, würde ich natürlich gar nicht davon anfangen.
Dein Vertrauen ehrt mich, sagte Madzar zurückhaltend.
Punkto Diskretion müsste ich allerdings eine gewisse Garantie haben.
Ich weiß doch gar nicht, worum es geht, wie könnte ich da, entschuldige schon, eine Garantie bieten.
Ich verlange nicht dein Ehrenwort, das wäre etwas zu Großes, sagte Bellardi lachend, aber immerhin könntest du sagen, so wahr mir Gott helfe.
Madzar hatte den Eindruck, das Kerzenlicht verschiebe auf dem Gesicht des anderen Mannes die Züge und löse sie voneinander, um die Masken verschwinden zu lassen.
Es nimmt kein Ende, denn das ist immer noch nicht er, er vertauscht ein fremdes Gesicht mit einem anderen fremden Gesicht.
Mir scheint, du verlangst zu viel. Und Gott sollten wir aus dem Spiel lassen.
Ich kann das nicht, fügte er leise hinzu, um der Zurückweisung Nachdruck zu verleihen.
Bellardi blickte ihn betroffen an, die Zurückweisung traf ihn unerwartet, er akzeptierte sie nicht, und wie um einen Vorschuss zu geben auf das, was er noch zu sagen wünschte, begann er bescheiden und fein zu lächeln.
Ich setze nicht meine eigene Sicherheit aufs Spiel, Lojzi, mein Lieber, beziehungsweise nicht nur meine.
Den Ernst seiner Worte bestätigten seine klaren, vertrauensvollen hellbraunen Augen, die das Kerzenlicht bis an ihren dunklen Grund durchleuchtete.
Und doch konnte ihn Madzar nicht ernst nehmen, seine geschärfte Aufmerksamkeit machte zwischen den Augen und dem Mund des Kapitäns unwillkürlich Lüge, Betrug, Hintergedanken aus.
Er verstand nicht, warum Bellardi dachte, er müsste auf seine geheimen Angelegenheiten neugierig sein.
Auf diese Art ist mir das zu viel, sagte er.
Er fand es entsetzlich, blind das Ehrenwort zu geben, worauf auch immer, und was hat das alles mit irgendeinem Gott zu tun.
Ein solches Ehrenwort ist mir zu pathetisch, verzeih, dass ich deinen Wunsch nicht erfüllen kann. Da bin ich ein viel zu einfacher Mensch.
Und wie er sich unter der Wirkung seiner eigenen Worte Bellardi gegenüber milder zu fühlen begann, meinte er mit einem Mal, dessen Falschheiten, Gefühlsduseleien und Liebesgeständnisse zu verstehen. Das alles hatte doch nur dazu gedient, ihn vorzubereiten, mürbe zu machen.
Der hatte ihn umgarnen wollen, damit er nicht nein sagen konnte.
Wir machen uns aufgrund unserer Kindheit etwas vor, wie dumm, dachte er, als erwachsener Mann, mit Verantwortung auf den Schultern, kann ich doch nicht den Pfadfinder für ihn spielen. Immerhin baue ich Häuser, die stehen müssen, oder ich mache Stühle, die unter dem Sitzenden nicht zusammenbrechen dürfen.
Auch er verspürte den Wunsch, sich zu zeigen und dem anderen ganz offen zu sagen, nein, mein Lieber, es verhält sich gerade umgekehrt, mich interessieren in erster Linie, vor allem und hauptsächlich die transparenten und einsehbaren Dinge, nicht dein unauslotbarer Dämmer und deine hinterhältige Geheimnistuerei. Ich beschäftige mich mit konkreten Gegenständen und Materialien, schon deshalb sehe ich die Regeln deiner Ritterlichkeit nicht als verbindlich an. Ich spucke auf dein ganzes Edelgehabe. Pfeife auf eure läppische Geheimniskrämerei. Bei euch möchte ich nicht einmal Baumeister sein. Ihr seid allesamt notorische Parasiten, lebt von Masochismus und Zerstörung, diese Wonnen überlasse ich euch.
Von Material, Form, Geist, Bauen habt ihr keinen Dunst.
Doch er sprach es nicht aus, nur seine Lippen zitterten, der Nasenansatz, die Wimpern, die im Kerzenlicht rot schimmerten.
Lieber lehnte er sich auf dem Stuhl zurück, um zwischen sich und dem Kapitän möglichst viel Distanz einzulegen.
Aber da erschrak er auch gleich.
Ich weiß ja noch gar nicht, widersprach er sich, wie könnte ich auch wissen, was ich von ihm nicht hören will oder was mir an seinem Anliegen so lächerlich oder unehrlich vorkommt.
Vor Nervosität musste er lachen.
Also kämpfe ich eigentlich mit meiner eigenen Kleingläubigkeit, Lächerlichkeit, meinem Misstrauen, und nicht mit ihm.
Wenn du unbedingt Wert darauf legst, sagte
Weitere Kostenlose Bücher