Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
Vom Netzwerk:
nichts fühlt und nicht einmal die Zeit hat zu erröten. Frau Szemző hält es ohne die Jungen nicht aus, die beiden Jungen ohne einander auch nicht. Was tu ich jetzt, aber auch für solche Fragen hatte er keine Zeit. Die vertraute Welt hatte sich umgedreht und kippte ihm auf den Kopf. Etwas geschah unabhängig von ihm, oder geschah mit ihm, nüchternen Verstands ließ sich das nicht verfolgen. Als müsste er sich ausgerechnet in diesem Augenblick eingestehen, dass er ohne Bellardi nicht sein konnte. Zuerst musste er Doktor Szemző begrüßen, seine ihm geltende Freude erwidern, die sogar echt und gefühlt sein mochte, schließlich baute er ihm ja ein großes Haus aus den besten verfügbaren Materialien und mit Hilfe der modernsten Technik. Dann durfte er endlich Frau Szemző erblicken, die zusammen mit einer ungefähr gleichaltrigen, umwerfend eleganten und zierlichen Frau auf ihn zustrebte.
    Sie lächelten ihm aus einem intensiven Geplauder heraus zu.
    Sogleich durfte er erfahren, dass die beiden zusammen auf dem Gymnasium gewesen waren. Beide erzählten Madzar lachend und sich gegenseitig ins Wort fallend, dass sie nur zwei Tage zuvor am Abend gemeinsam in einem Freilichtkonzert auf der Margareteninsel gewesen waren und sich jetzt im Zug zufällig wieder getroffen hatten. Wie doch der Zufall manchmal verrücktspielt, riefen sie ein ums andere Mal.
    Sie fahre mit den Schülern der Königlich Ungarischen Bauzeichnerschule jeden Sommer nach Mohács, sie und Madzar hätten sich eigentlich auch schon treffen können.
    Madzar wurde es gleich etwas mulmig.
    Ich habe im Ausland gelebt, wissen Sie, sagte er beflissen und wie um sich herauszureden.
    Sie alle arbeiteten mit Textil, erklärte die Frau und strahlte ihn mit großen Augen an, und die Stadt sei seit Jahren so freundlich, ihnen die leerstehenden Räume des Quarantänekrankenhauses für zwei Wochen zur Verfügung zu stellen.
    Was ideal ist, sagte Frau Szemző begeistert, sie spürte, dass eine Spannung entstanden war, die sie lockern musste.
    Ja, wirklich ideal, aber nicht nur wegen des Komforts oder wegen der nahen Seidenspinnerei, ganz und gar nicht, sagte die in Seide gehüllte schwarzhaarige Frau genauso begeistert. Du wirst selber sehen, was für einen Nussbaumhain es da gibt, ganz wunderbar, rief sie und blickte mit ihren Riesenaugen auf den Architekten, der diesen Nussbaumpark ja bestimmt kenne.
    Da draußen unter den Bäumen können wir nach Lust und Laune aquarellieren.
    Madzar folgte auf dem Gesicht der unbekannten Frau einer Narbe.
    Wenn es regnet, benutzen wir die leeren Krankensäle als Werkstatt.
    Epidemien sind da zum Glück keine zu befürchten, sagten beide Frauen lachend.
    Ursprünglich gehörte das Gut dem Herzog von Montenuovo, bemerkte Madzar still, um auf irgendeine Weise an dem Gespräch teilzunehmen. Diese Familie, müssen Sie wissen, hat einen besonderen Ruf in Mohács, wo Sparsamkeit im Übrigen nicht auffällt. Zierpflanzen kann man hier nicht ausstehen. Jedes Gewächs muss Nutzen bringen. Deshalb sind anno dazumal so viele Nussbäume gepflanzt worden.
    Er wollte sich zwischen sie stellen, sie beobachten, dem unverständlichen Frauengekicher ein Ende machen. Wo er ja schon in diesem Durcheinander und Stimmengewirr hier stand, in tödlicher Schmach. Wieder war alles anders gekommen, als er gewollt hatte. Wieder hatte eine Frau so etwas mit ihm gemacht und hetzte ihm auch gleich eine zweite auf den Hals. Er war empört, und einen Moment lang sahen die beiden Frauen unter ihren großen Hüten tatsächlich mit eindringlichem, prüfendem Blick auf diesen Abweisung ausstrahlenden Mann. Beide lachten ihn zuvorkommend und begütigend an.
    Was für einen kenntnisreichen Führer sie doch in den nächsten Tagen haben würden.
    Gewiss hätte er Lust, sie herumzuführen.
    Das wäre wirklich ideal, ach, hoffentlich macht er so etwas gern.
    Während sie plapperten, beobachteten sie unter ihren Hüten hervor, was in diesen attraktiven, aber überaus töricht ausstaffierten Mann gefahren sein mochte.
    Ihre Schüler würden sich glücklich schätzen, wenn er ihre Arbeiten ansehen möchte.
    Mit Ihrer nachträglichen Erlaubnis habe ich Fräulein Dobrovan verraten, dass ich Ihre hervorragenden Zeichnungen gesehen habe.
    So ist mir nicht verborgen geblieben, dass Sie auch ein großes Zeichentalent sind.
    Die strahlt mich mit ihren Augen an, damit ich ihre Narbe nicht beachte.
    Madzars Aufmerksamkeit entging auch nicht, dass die beiden ein eingeübtes Spiel

Weitere Kostenlose Bücher