Parallelgeschichten
folgenden Tag auftauchen könnte.
Die sind fähig und kommen beide am Mittwoch.
Und so hatten sie den Tod des Gottlieb-Jungen auf dem Gewissen. Was keiner von ihnen je zugegeben hätte, was Frau Szemző auch nie verzeihen würde, wenn sie es wüsste. Ein Glück, dass es nur ein Unfall gewesen war. Kein Sommer verging, ohne dass jemand in der Donau ertrank. Und wozu hätten sie beide darüber reden sollen. Das Wasser bei Mohács ist ja schon unberechenbar genug.
Sie wandten sich voneinander ab, wenn andere von dem Unglück sprachen.
Wie viel Uhr ist es, Mutter, fragte er schon wieder etwas ernüchtert.
Er fragte sogar, ob heute wirklich Dienstag sei.
Draußen wurde es hell, die Vögel in den Bäumen der Pozsonyi-Straße begannen zu zwitschern, die erste Straßenbahn fuhr allerdings noch nicht.
Ich gehe noch ein wenig spazieren, sagte Madzar, wobei er dachte, nein, das kann ich Mutter nicht antun, sie würde vor Scham im Boden versinken. Und gleich zu rufen beginnen, wie sie eine solche reiche Jüdin empfangen sollte, na so etwas, ihr eine verheiratete Frau ins Haus zu bringen. Und das vor den Augen der Stadt, das überlebe sie nicht.
Doch besser, im Korona ein Zimmer für sie zu reservieren.
Er stellte sich das Zimmer vor, das er für Frau Szemző reservieren würde und in dem am folgenden Tag alles zwischen ihnen geschehen würde.
Aber wer kommt denn, mein Junge, rief seine Mutter hilflos und verzweifelt hinter ihm her.
Gyöngyvérs Hand erhob sich zu einem korrekten Anschlag über die Tasten, als wisse sie wirklich, was sie mit der heraufbeschworenen Phrase anfangen müsse. Aber alles kam anders. Würde sie auf Frau Szemzős Flügel dem in ihr laut werdenden Ton folgen können.
Frau Madzar ärgerte sich noch ein Weilchen, dann beschloss sie, komme, was wolle, die Stangenbohnen zu pflücken. Eine schöne Tomatentunke würde sie machen, die Schwitze dazu schön braun braten, wer immer kommen mochte, sie würde das gekochte Huhn mit den ungeschnitten gedünsteten Bohnen servieren. In der Wohnung im sechsten Stock wurde es früher hell und viel später dunkel als unten in der von Ulmen beschatteten Straße, über der wahnwitzig gelben Fahrbahn. Im bleichen Licht der noch erhaltenen Madzar’schen Lampen ließ sie ihren aufgeregten Phantasien freien Lauf, folgte ihnen mit ihrem makellosen nackten Körper.
Am Ende wagte sie doch nur ein einzelnes Fis anzuschlagen, sie wartete ab, bis das Fis ihren Körper zum Sprechen brachte, und sang es schön voll heraus.
Das wenigstens war wieder gelungen.
Wieder einmal zufällig, sie hatte etwas anderes gewollt. Nämlich Frau Szemzős unmögliche Idee doch ernst nehmen, es könne ja sein, dass sie jetzt etwas Dummes sage, Gyöngyvér solle es in der Stunde dem Médilein berichten, aber sie sollte nicht nur Monteverdi, sondern sogar Kontraalt singen. Mit diesen Worten war Frau Szemző schon ganz aufgeregt vom Flügel aufgestanden, um nach den Noten zu suchen. In dem Sekretär, der als einziges Möbelstück von der ursprünglichen Madzar’schen Einrichtung übrig geblieben war und in welchem es immer noch schwach nach dem unbekannten Imprägnierungsmittel roch.
Auch Gyöngyvér stand vom Klavier auf, um die Noten zu holen, wobei ihr einfiel, wo Frau Szemző die Reserveplaids aufbewahrte. Der schwarze Hund fiel regelrecht über Kristóf her, warf ihn gegen das Brückengeländer und fuhr ihm mit seiner großen Zunge übers Gesicht. Der junge Mann stieß ihn sogleich instinktiv von sich, sein Gaumen wurde von der Berührung des fremden Wesens stumpf, aber es war zu spät. Es bildeten sich Blasen in seiner Mundhöhle, er hatte das Gefühl, gleich ersticken zu müssen, der Hund sah das alles als Spiel an.
Er fletschte freudig die Zähne.
Als Frau Szemző am folgenden Vormittag in Mohács eintraf, war sie nicht allein.
Ágost war bei dem Ton hochgeschreckt und hatte überrascht festgestellt, dass er in dem Dienstbotenbett allein war. Wenigstens konnte er es sich bequemer machen. Ein wenig kalt war ihm schon, wo bleibt sie denn mit dem Plaid, dachte er sehnsüchtig und irritiert, aber dann schlief er gleich wieder ein.
Madzar stand um elf Uhr zwanzig, vier Minuten vor der Ankunftszeit, ahnungslos auf dem von alten Kastanien beschatteten Bahnsteig des altmodischen Bahnhofs, im besten Sommeranzug seines Vaters, aus blassgrünem leichtem Leinen. Er hatte bis zum Morgengrauen in der Werkstatt gearbeitet, um Frau Szemző wenigstens die Rohstruktur der entstehenden Möbel
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