Parallelgeschichten
plaudern wir doch vernünftig über Ihren Jungen, fuhr von der Schuer ungerührt fort, als kenne er tatsächlich weder Furcht noch Schonung.
Selbstverständlich verstehe ich Ihre Erregung.
Überlassen Sie bitte mir, mit wem ich wann über welche Themen plaudern möchte.
Von der Schuer konnte diesen Satz leichthin an sich vorüberziehen lassen, Karla von Thum zu Wolkenstein drehte sich ja nicht auf dem Absatz um, rührte sich nicht von der Stelle.
Heute Morgen habe ich nun endlich das Dossier durchgesehen, er zeigte auf den Schreibtisch, wo in der Tat ein gewichtiger Packen lag. Sie dürfen mir glauben, dass ich mit dem allergrößten Wohlwollen meine Freundesdienste anbiete.
Worum geht es, was wünschen Sie, bitte werden Sie endlich deutlicher.
Ich sehe mich gezwungen, Sie über die Einzelheiten der Ihren Jungen betreffenden Untersuchung zu informieren, Einzelheiten, die Sie bestimmt nicht kennen, auch wenn keiner von uns beiden über die Konsequenzen im Zweifel sein kann.
Die Baronin wollte nur fragen, wenn auch sehr gereizt, was für eine Untersuchung, was sind das wieder für Andeutungen, was für Ergebnisse und Konsequenzen, verdammt noch mal, und was hätte das alles mit ihrem Wiesenbadener Gut zu tun, als es ihr ganz plötzlich die Stimme oder den Atem verschlug.
Ob von der Schuer etwa auf eine Sterilisierung anspielte.
Sie vermochte es aber nicht auszusprechen, denn gleichzeitig kam ihr der entsetzliche Verdacht, dass diese Schweine das nicht nur verfügt hatten, sondern auch imstande gewesen waren, es zu vollstrecken.
Deshalb entschuldigt er sich dauernd wegen der Verspätung.
Ein seltsames Ächzen kam aus ihrer Kehle.
Trotzdem beantwortete von der Schuer die unausgesprochene Frage sogleich.
Ich muss Ihnen sagen, Frau Professor, dass die Lage noch ernster ist.
Diese verschreckte Befriedigung
Es gibt aber eine Art von heimlichem, verdrängtem, animalischem Gefühl, dessen wir uns wirklich schämen. Es redet nicht von Gut und Schön oder Böse und Hässlich, denn es hat keine begriffliche Sprache. Es geht nach dem Geruchssinn, obwohl es keine Nase hat. Ich wollte einfach nicht, dass mir der Duft der Frau weggenommen würde, besser, ich hätte nicht gewollt, dass man ihn mir zu früh wegnahm. Dass sie wegging. Dass ihr Mann oder sonst jemand sie in einem geschlossenen Auto mitnahm, bevor ich ihn nach Herzenlust auf der Zunge gespürt, ausgekostet hätte.
Und auch wenn dieses Gefühl keine Augen hat, sieht es dennoch Dinge, die man nicht sehen kann. Denn es war nicht ihr Duft, besser gesagt, nicht nur und ausschließlich ihr Duft, an dem ich so hing, sondern alles, was das mit bloßem Auge Sichtbare umgab und umschwebte, alles, was ihr entströmte oder was sie erwartete und ersehnte, weil es ihr fehlte. Dieses Etwas, das genauso ihre Beschaffenheit wie ihre Bedürfnisse oder ihr Wesen und ihre Seele sein mochte, hatte nichts mit ihrer Schönheit zu tun. Ich sagte, gut, wir wollen nicht länger scheißblöd tun, und es berührte mich angenehm, dass ich plötzlich und unbegründet so locker und folgsam war, aber eigentlich sagte ich nur ja zu diesem Unbegreiflichen, Unergründlichen, Unsichtbaren, denn das hätte ich in keinem Fall abweisen können. Mein tierhaftes Sein, vielleicht meine Seele, wollte ihre Seele fesseln, aufnehmen, sich zu eigen machen oder sich einfach in der Gesellschaft ihres tierhaften Seins aufhalten.
Hätte sie gesagt, sie verwandle sich jetzt in eine Katze und steige auf den Kirchturm, ich solle mich auch in eine Katze verwandeln und ihr folgen, hätte ich wohl sofort instinktiv nein gesagt. Aber gleichzeitig gedacht, na gut.
Ich folgte ihr nicht etwa, weil ich hoffte, ich käme mit ihr doch noch auf einen grünen Zweig.
Es war vorauszusehen, dass meine Situation schon im nächsten Augenblick unerträglich sein würde, trotzdem folgte ich ihr. Folgte ihr auch so. Später mochte ich mir dann wegen meines leichtfertigen Entschlusses die Haare raufen, musste es jetzt aber ertragen. Ertrug es gegen den gesunden Menschenverstand, gegen meine Erziehung, mein Gefühl für Ästhetik, gegen den Anstand und den guten Geschmack, gegen mein Bedürfnis nach Verhältnismäßigkeit. Gegen alle die goldenen Verhaltensregeln und Prinzipien meiner Erziehung, gegen alles, was man von sich selbst denkt.
Egal, sei es. Vielleicht wendet sich ja, sagte ich mir, gleich alles zum Guten. Oder vielleicht nächste Woche.
Mein Elend setzte sich fort, als ich auf den Hintersitz ihres Wagens kriechen
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