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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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schlaffleibigen Männer stand rufend und schreiend unter dem heißen Wasser. In dem langen Kabinengang im Erdgeschoss rief niemand nach den Kabinenaufsehern, die ihrerseits keinen lauten Schwatz hielten. Wie alles andere hatte auch das seine Ordnung, seine Zeit und sein Ritual.
    Die wichtigsten Leute kamen frühmorgens, dann gab es eine Pause, eine gute Weile nach zehn Uhr trudelten die feinen Damen ein, dann die Jeunesse dorée, die Rentner, die diversen Künstler und Schriftsteller, die Kinder, die Mütter, die leichten Dämchen, die um nichts auf der Welt ihr Gesicht nass gemacht hätten und mit ihren blümchen- oder sternchengeschmückten, möglichst rosaroten oder zitronengelben Gummibadekappen nur gerade über der Wasseroberfläche schwebten, und wenn sie alle am späten Nachmittag verschwunden waren, kamen wiederum die Studenten, die Anwälte, die Oberärzte und die betagteren höheren Beamten alten Schlags und blieben bis zur Schließungszeit.
    Der für die Lebensrettung zuständige Kabinenaufseher saß jetzt untätig in seiner Nische und stand nur sporadisch auf, um pflichtgemäß über die Köpfe der zwei Männer auf der Bank hinweg auf das leere Becken hinauszuschauen. Der andere Kabinenaufseher rieb in einiger Entfernung gelangweilt auf den stark gerillten gelben Fliesen des Gangs herum; der frühmorgendliche Ansturm, zwar heute nicht so heftig wie an anderen Tagen, hinterließ immer deutliche Spuren. Der stark schielende Bademeister seinerseits winkte gerade der unglaublich dicken und vollkommen reizlosen Billettfrau zu, die mit viel falschem Schmuck und hochgetürmter Frisur auf dem zugigen Sitz neben dem Eingang thronte, glitzernd wie eine Stammeskönigin.
    Die Geste bedeutete, dass er jetzt auf ein Weilchen verschwinden würde, komme was oder wer wolle.
    Gehen Sie nur, lieber Józsi, scheißen Sie in Ruhe, rief ihm die dicke Frau zu.
    Er wurde denn auch gleich von einer unauffälligen Seitentür verschluckt. Man gelangte durch sie ins Dampfbad, und nur die ganz Privilegierten unter den bevorzugten Mitgliedern des eingeweihten Publikums durften sie benutzen.
    Nur ganz wichtige und gefährliche Menschen, in deren Gesellschaft alle ehrfürchtig verstummten.
    An dem einst grün bemalten, abgenutzten schmalen Türchen gab es keine Klinke.
    Die vom Wasserdampf verbogenen Schwingtüren ließen ihr gewohntes dumpfes Aufeinanderklappen nicht hören, die Fensterscheiben erzitterten nicht, seit längerem kam kein neuer Gast. In den hellen verglasten Gängen war es angenehm warm, freundliche Stille herrschte, nur in den Duschen rauschte es, draußen über dem Wasser und in den kahlen Kronen der übers Wasser gebeugten mächtigen Platanen sang der Wind. Der neue Kabinenaufseher, der diesen drei komischen Männern zunächst eine Weile erschrocken zugehört hatte, war auf seinem Stuhl eingenickt. Eigentlich aus Angst, damit er nicht hören musste, was die da zusammenschwatzten. Er hätte es sowieso nicht verstanden. Sehen wollte er auch nichts. Überhaupt konnte er ihren Worten nicht entnehmen, was für Patrone das waren. Der Aufseher war vom Gellért-Bad hierher versetzt worden, und obwohl er vom Lukács schon alles Mögliche gehört hatte, merkte er jetzt, was für eine andere Welt das war. Die drei dämpften nicht einmal die Stimme. Sie wollten niemandem etwas unter die Nase reiben, so viel war klar, sie verheimlichten aber auch nichts, das war für die Ohren des neuen Aufsehers das Seltsame. Er war ein ganz junger Mann, fast noch ein Kind, aus dem Außenbezirk Kispest, er wusste nicht, was die gedrechselten Sätze und weit hergeholten Gesten bedeuteten. Derartige Sätze, ein derartiges Getue hatte er noch nie erlebt. Ja, er fragte sich, ob das nicht irgendwelche berühmte Schwule waren. Er konnte sich nicht erinnern, sie im Gellért gesehen zu haben, und wie Schwule sahen sie eigentlich nicht aus, da konnte er noch lange die Ohren spitzen, ob sie nicht eventuell lispelten. Vielleicht waren es Ausländer. Der Bademantel des weißhaarigen Mannes und die auffällige, unanständig knappe pflaumenblaue Badehose des andern sprachen jedenfalls dafür. Und der Mann, der sich gerade abtrocknete, sah mit seinem knochendürren, behaarten dunklen Körper nach allem Möglichen aus, nur nicht nach einem Ungarn.
    Oder die tun so, als hätten sie ihre Muttersprache vergessen.
    Schärfer beobachten als er konnte man nicht, trotzdem wurde er in seiner Nervosität zuweilen von seinem vornüberkippenden Kopf geweckt, und er merkte,

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