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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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interessiert nur das,
la guerre ou la paix.
Dass es wieder Krieg geben wird.
La bourse ou la vie
. Etwas anderes interessiert mich nicht.
    Darauf gab es natürlich nichts zu erwidern.
    Mit einer solchen Behauptung, die gleichzeitig Verteidigung und Provokation war, konnte im Moment keiner von ihnen etwas anfangen. Der plötzliche Ausbruch hatte wenigstens zur Folge, dass die beiden wie gelähmt waren. Sollen sie halt gelähmt sein wie Käfer vom Licht. Er verschloss sich, hoffte aber stumm, nein, nicht hoffte, verlangte von ihnen, dass sie ihm halfen, dass sie ihn von sich selbst befreiten.
    Aber wie denn, das war die Frage, die sich den beiden anderen Männern stellte. Wie kann man jemanden vor sich selbst retten.
    Ach, antwortete André erbost, du weißt nicht mal, wovon du redest, woher zum Teufel willst du wissen, was Krieg ist. Hast in der Schweiz schön gemütlich auf deinem Arsch gesessen, während deine Mutter Geld aufs Bankkonto deines Onkelchens schaufelte.
    Sie kannten den Ablauf eines solchen Anfalls sehr gut, beide hatten bereits die ersten Anzeichen bemerkt.
    Doch sie kamen zu spät, in einem solchen Moment war es bereits falsch, etwas zu sagen, immer kamen sie zu spät. Es war, als sähe man in seinen Gesichtszügen die drohende Welle einer Naturkatastrophe nahen. Manchmal besprachen sie das untereinander, es war ja so seltsam, so ungewöhnlich, auf einem Gesicht etwas Derartiges zu sehen; erschreckend. Und doch nicht anders, als wenn der Sommerhimmel plötzlich von einer großen Wolke verdüstert wird. Wer vermöchte abzuwenden, wer vermöchte dem zuvorzukommen, was in einem anderen Menschen vorgeht. Ágost verdüsterte sich, etwas befiel seinen Körper, seine Züge, seinen Geist und verdeckte alles. Vielleicht war sogar seine Haut irgendwie dunkler geworden, jedenfalls wirkte es auf sie so. Und wenn er noch redete, viel mehr und lauter als sonst, so schien er doch nicht mehr aus sich selbst herauszusehen.
    Dann war auch das vorbei, er antwortete nicht mehr, als würde er nichts mehr hören.
    Für Außenstehende hatten sie nicht nur das gemeinsam, dass sie alle drei mit Akzent sprachen, sondern auch ihr gutes Aussehen. André war der Älteste, mit einer Haut, die auch im Winter braun war, und wenn er in die Sonne ging, schien sich die Bräune mit einem grauen Schleier zu überziehen. Das nennt man zigeunerhaft, aber er hätte auch ein jemenitischer Krieger oder ein Beduinenfürst sein können. Alles an seinem Körper war gotisch in die Länge gezogen, nicht nur sein Schädel und seine Knochen, auch seine Muskelstränge. Er war der Typ mit der dichten Körperbehaarung, und auch das hatte die Natur geschickt angeordnet; in proportionierten, harmonischen, kraftvollen, aber nicht übertriebenen Wellen. Wie aus der Mitte eines barocken Springbrunnens schoss sie aus dem dichten Gestrüpp seiner Lenden in einem geraden Strahl über seinen flachen, harten Bauch nach oben, bis ans Brustbein hinauf. Dort verzweigte sie sich und umrahmte in eleganten Wellen die kräftigen Brustmuskeln, die sich zu den dunkelvioletten Warzen hochbäumten, um dann, die mager und nackt herausragenden Schlüsselbeine umgehend, stürmisch zusammenzuströmen und als Wellenkamm oder als Rüsche bis zum rasierten Hals hochzuschießen. Wenn er beim Rasieren nicht aufpasste und das Messer nicht tief genug zog, kräuselten sich die Härchen nach ein paar Tagen aus dem geschlossenen Hemdkragen unanständig und neugierig heraus. Da er sich makellos kleidete, sorgfältig rasierte, zuweilen zweimal täglich, zog ein solcher kleiner körperlicher Ungehorsam, der auf die verborgenen Regionen seines Lebens hinwies, die Blicke auf sich.
    Der um fast fünf Jahre jüngere Ágost hatte ebenfalls eine dunkle Haut, das war aber auch alles an Ähnlichkeit. Seine Farben und Körperformen hatten nichts Dramatisches, höchstens fiel er durch Wohlproportioniertheit auf. Seine Haut, die er von seiner Mutter und über sie vom jüdischen Großvater hatte, von dem er übrigens auch häufig sprach, war von ganz anderer Beschaffenheit. Völlig unbehaart, nur gerade mit ein paar Härchen auf der Brust, spannte sie sich wie eine aus heiklem Material geschneiderte Hülle über seine Muskulatur; an seiner Brust, seinem Hintern, den starken Schenkeln und den klassisch geformten Waden glänzte, ja, leuchtete sie fast. Kovách, der Jüngste, mit den strahlend blauen Augen, stach von ihnen nicht nur durch seinen imposant nachlässigen Körperbau ab, sondern vor allem

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