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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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kratzte so lange Laub über seine Sünde, bis die wahnsinnige Helligkeit dunkel wurde.
    Sanitäter brachten ihn mitten in der Nacht weg, als er sich mit blau verfärbten Lippen immer noch wild herumwarf und schaumigen Speichel verspritzend rief, nicht absichtlich, nicht absichtlich.
    Mächtig war der Kampf, den die Engel um ihn und mit ihm führten, er machte ihn so maßlos müde, dass er seine triefend nassen Glieder kaum ans Ufer schleppen konnte.
    Sie schwankten mit ihm zusammen, rupften an ihm, ihre Augen wurden vom gleichgültigen Sonnenlicht erschreckt. So wankten sie ins schattige Dickicht hinein, gingen hilflos mit ihm im Kreis herum, bis sie unter einem Strauch eine bequeme Liegestatt fanden, um ihn schlafen zu lassen.
    Deshalb stießen seine Verfolger am leeren Ufer auf die dagelassenen Sandalen.
    Während sie sich zuriefen, durchs Dickicht brachen, Spuren suchten, frische Spuren fanden, schlummerte er süß in seinem Versteck.
    So war es geschehen, das alles war geschehen. Der Pastor mochte nicht mehr darüber nachdenken, die Logik der Schöpfung blieb ihm ja doch verborgen. Es war eine unangenehm lange Zeit vergangen, seit Dávid wortlos hinausgegangen war. Er selbst hatte seit Stunden im Dunkeln gesessen, gebetet, und deshalb tat es gut, seine Gedanken bei Dávids neuerlichem Ungehorsam ausruhen zu lassen.
    Wenn sie den Strolch fanden, brachten sie ihn vielleicht um.
    Seine Gebete führten zu nichts.
    Was für ein böser, nichtsnutziger Balg, dachte er. Habe ich ihm nicht gesagt, er solle rechtzeitig urinieren. Jetzt darf ich ihm nachrennen.
    Höchstens dafür konnte er Gott Dank sagen, dass sie nur Spuren gefunden und den Strolch nicht hatten umbringen können.
    Als er am Vorabend, von seiner Niederlage aufgewühlt, vom Ufer zurückgekehrt war und es kein Gebet gab, mit dem er seinen barbarischen Hass hätte beruhigen können, hatte er beschlossen, er würde sich auf seine Krankheit berufen und bei seinem Bischof ebenfalls um seine Versetzung in den Ruhestand nachsuchen. Wieso zum Kuckuck muss der unnütze Balg immer draußen urinieren. Dem würde nichts entgegenstehen, der Bischof hielt keine großen Stücke auf die menschlichen Qualitäten des Pastors, auch auf seine Amtsführung nicht. Varró war ein hochgelehrter Mann, das anerkannte er, aber er gebrauchte lieber seine Kraft als seinen Verstand, das war seine summarische Meinung. Darüber sprach er aber höchstens mit seinem Sekretär. Er tat es gezielt, der Sekretär arbeitete für den staatlichen Geheimdienst, wie er wusste.
    Er brauchte nur mit Hilfe des Sekretärs etwas auszustreuen, und bald schon würde von dort die richtige und praktische Antwort zurückkommen.
    Varró hielt zwar anständigerweise den Mund, der Bischof konnte zufrieden sein, aber die Zusammenarbeit mit den Behörden verweigerte er immer wieder ziemlich unverschämt, was der Bischof im Stillen guthieß, öffentlich aber anprangerte. Im Amt für Kirchenfragen musste er ihm dann wegen des hingerichteten Sohns die Stange halten.
    Eine Woche danach grübelte der Sekretär in Gegenwart des Bischofs unter heftigen Höflichkeitsbezeigungen über die abstrakte theologische Frage nach, ob der Christ, wenn er zwischen kirchlicher Kollegialität und dem nationalen Interesse zu wählen hat, nicht eventuell dem Letzteren den Vorrang geben müsse.
    Ohne mit der Wimper zu zucken antwortete der Bischof, für einen Reformierten können sich die beiden Interessen niemals in die Quere kommen.
    Der stille Kampf dauerte Jahre.
    Am Ende wollten die Behörden mit Hilfe des Dorfs hinterrücks erreichen, dass sich die Presbyter gegen den Pastor wandten und ihn unter einem Vorwand wegschickten.
    Der Ratssekretär und die Frau des Arztes wurden mehrmals zu sogenannten Unterredungen geladen, beziehungsweise in einem Wagen mit offiziellem Nummernschild in eine operative Wohnung nach Szentendre gefahren. Die Frau des Arztes erlitt einen Nervenzusammenbruch, warum, warum, schluchzte sie unausgesetzt. Eine solche Willkür in seiner Superintendantur durfte aber auch der Bischof nicht dulden. Er selbst war Mitglied der weitverzweigten Geheimgesellschaft, die jetzt unter dem Deckmantel der bereitwilligen Kooperation und der taktischen Anpassung das vom russischen Regime angerichtete Unheil bekämpfte.
    Um die Behörden für Varró etwas gnädiger zu stimmen, war er zu äußerst heiklen Zugeständnissen gezwungen.
    Von alledem wusste Varró kaum etwas, aber von da an grollte ihm sein Bischof noch mehr, er nahm

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