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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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sich langsam durch die nassen Rillen der Fliesen. Es war der Anblick des Bluts, der die Frau bannte.
    Blut fließt, sagte sie fast ehrfürchtig und leise.
    Während des Laufens fiel Hans ein, dass er die Badehose noch anhatte. Und so schlüpfte er, als er bei ihnen angelangt war, die Hand um den rosaroten Flakon gekrampft, aus seinem blauen Bademantel. Der Gang, der heulende Wind, sein Rennen, als wäre das alles auch schon da gewesen, und nicht nur einmal.
    Blut fließt, sagte die Frau wieder, immer noch leise.
    Reden Sie nicht so viel, das Kissen sollen Sie hergeben, Rózsika, fuhr er sie an, er kniete sich neben dem Körper nieder.
    Die eng zusammengepressten Zähne waren hinter den etwas auseinandergezogenen, schäumenden Lippen gefletscht. Ob er seine Zunge schon zerbissen hatte oder nicht, zwischen diese Zähne drang man mit nichts mehr ein. Hans durfte keinen Augenblick verlieren. Er ließ den überflüssig gewordenen Flakon einfach fallen und stopfte mit beiden Händen, als würde er ihn zärtlich von unten umarmen, den blauen Bademantel unter den hochgewölbten Körper. Etwas Ähnliches hatte er das letzte Mal im ebenerdigen Duschraum des Internats getan. Er wartete auf das Kissen. Der Tonuskrampf des Körpers ließ in diesem Augenblick nach. Es war, als entspanne er sich auf dem weichen Bademantel, aber damit war der Anfall noch lange nicht vorüber.
    Blut fließt aus seinem Kopf, wiederholte die Frau, jetzt schon lauter.
    Hans beobachtete die verdrehten Augen des jungen Mannes, seine mit Schaum bedeckten Lippen, den Rhythmus der Krämpfe, und er ahnte zwischendurch, auf welche Art die fürchterliche Hysterie der Frau ihm aus ihrem erstarrten Körper entgegenschwappen würde. Er fühlte, wie sie gleich über ihm zusammenschlagen würde, und er täuschte sich nicht.
    O Gott, o Gott, kreischte die Frau außer sich los, tun Sie doch was. Blut fließt aus seinem Kopf. Sehen Sie doch, es fließt, da, es fließt, schrie sie schrill. Blut fließt aus seinem Kopf.
    Woraufhin sich Hans langsam umdrehte, zu ihr aufblickte und fast müde antwortete. Na klar sehe ich das, Rózsika, ich sehe alles. Dann brüllte er los, dass der mächtige Körper der Frau erbebte. Tun Sie, was ich sage. Geben Sie das verschissene Kissen her.
    Da begriff sie endlich.
    Sie reichte ihm das Kissen von ihrem Stuhl und auch den dicken selbstgestrickten Cardigan, war aber sogleich empört, so durfte Hans mit ihr nicht reden, nicht einmal jetzt. Sie hatte nämlich verstanden, dass der Mann sagte, sie scheiße ihr Kissen voll.
    Well,
sagte André am Ende des Gangs, vor Erleichterung lachend, wenn mich nicht alles täuscht, ist das ein ausgiebiger Anfall von Epilepsie.
    Und bevor beide umkehrten, sahen sie sich an wie zwei erfahrene Diplomaten, die nicht nur die Kriegsschäden abzuschätzen, sondern auch die Konsequenzen abzuwehren wissen. André musste ganz schnell seine Niederlage wegstecken. Ágost musste die billige Freude über sein unverhofftes Glück unterdrücken. Aber sie glänzte in seinen tiefliegenden Augen.
    Und da er sie ohne weiteres unterdrücken konnte, weil es ihm wirklich nicht schwerfiel, sich nicht zu brüsten, freute er sich umso stärker, was das alte Leuchten in seine Augen zurückbrachte. Worüber auch André sich nur freuen konnte. So waren sie dank des zufälligen Ereignisses noch einmal davongekommen, es würde keine siebenwöchige Depression daraus. André nickte leicht, was zum einen Anerkennung bedeutete, aber auch ankündigte, dass die Sache höchstens vertagt war, Ágost würde nicht um ein umfassendes Geständnis herumkommen.
    Damit lösten sie ihre Blicke voneinander. André trat in seine Kabine zurück, um sich endlich anzuziehen. Wenn doch Kovách alles so im Griff hatte, wozu sollte er sich um den epileptischen Anfall eines wildfremden Menschen kümmern. Ágost hingegen ging in das Kabuff des Kabinenaufsehers, um mit der Krankenstation zu telefonieren und einen Arzt zu verlangen. Der epileptische Anfall des neuen Kabinenaufsehers erschütterte ihn nicht weiter, aber er war Hans gern behilflich, es freute ihn zu sehen, wie sich dieser selbstlos und instinktiv anderen zur Verfügung stellte. Ihm selbst fehlte dieser Altruismus. Er fand eine an die Wand geheftete zerfledderte Liste mit den mehrmals geänderten Nummern der Hausanschlüsse. Dienstarzt, stand da geschrieben, aber die Nummer war unleserlich. Er wünschte das ganze Land mitsamt seinen unseriös an die Wand gepiksten Zetteln zum Teufel.
    Und das

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